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Devil’s River

Devil’s River

Ein Baykok, ein Untoter, ein wiederkehrendes Wesen, welches dem Anschein nach ein normales Leben geführt hatte und seine Nahrung unter den Lebenden sucht. Der Ghoul stammt aus den Mythen und Legenden der Chippewa, obgleich dieser Vorbote des Unheils auch bei denen der Ojibwa und Algonkin anzutreffen ist. Unter diesen ist der Baykok ein unaufhaltbarer Killer, der sich an Menschen heranschleicht und diese ohne eine Spur von Reue ermordet. Die Ursprünge des Baykok sind bis in unsere heutige Zeit nicht vollständig erfasst worden. Dennoch lassen einige Hinweise vermuten, dass der Baykok einmal ein stolzer Jäger und furchtloser Krieger war. Eines Tages begab er sich auf die Jagd, aber seine Beute führte ihn weit vom Wildpfad weg. Schließlich verlor er seine Beute aus den Augen und war selbst hoffnungslos verloren. Einige Tage später, am Rand des Hungertods und verärgert darüber, der Ehre, seines Lebens und des Ruhmes beraubt, schwor der Jäger, dass seine Lebenskraft nie seine sterblichen Überreste verlassen durfte. Irgendwann, nachdem sein Körper zerfallen war, wurde er von Jägern aus seinem ewigen Schlaf geweckt. Verärgert und rachsüchtig darüber erhob er sich als Baykok aus seinem anonymen Grab, lechzend nach dem Fleisch der Männer. So soll der Baykok entstanden sein, und die Legende besagt, dass die Kreatur noch immer die Wälder durchstreift und auf der Jagd nach seinem nächsten Opfer ist.

In seinem Roman Devil’s River greift Thomas Thiemeyer diese Legende auf und lässt seine Figuren auf zwei Zeitebenen agieren. Beide Ebenen stehen in Wechselbeziehung zueinander. Es ist der Reiz kompliziert skizzierter Figuren mit einer eigenständigen Geschichte, der den Roman durchzieht. Und es ist der Handlungsort, die Frontier, das Grenzland, der sich von anderen Romanen Thomas Thiemeyers abhebt. Auf die Frage, warum er sich mit Devil’s River in das Genre Western begibt, antwortete der Autor: »[…] Der Western erlebt zurzeit eine Renaissance. Unsere Welt ist so hektisch, so kompliziert und so schnelllebig geworden, dass wir uns nach den einfachen Dingen des Lebens zurücksehnen; nach Familie, nach Liebe und Geborgenheit, aber auch nach einer gewissen Langsamkeit. Nun mag dieser Roman oberflächlich betrachtet zwar wie ein Western anmuten. Doch er ist es nicht. Es ist eher das, was ich als einen Frontierroman bezeichnen würde. Ein Roman, der im Grenzland spielt. Im Grenzland zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Mythos und Wirklichkeit, und der aber auch die Hauptfiguren an eine Grenze bringt. Und zwar an eine psychische Grenze […]«

Devil’s River ist ein Roman voller Mystik und sollte in keinem Bücherregal fehlen.

Das Buch

Thomas Thiemeyer
Devil’s River
Western, Frontierroman, Mystik, Droemer Knaur, München, März 2015, 512 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 9783426517154
Kurzinhalt:
Es bedarf eines Ungeheuers, um ein Ungeheuer zu töten …
Kanada 1878. River, eine junge Frau vom Stamm der Ojibwe, muss miterleben, wie ihr Dorf von etwas heimgesucht wird, das kein Mensch sein kann. Die Hütten von einer gewaltigen Kraft zerstört, Männer und Frauen grausam ermordet, scheint eine uralte Legende zum Leben erwacht zu sein. River schwört Rache – und verbündet sich mit einem gesuchten Mörder.
England 2015. Durch den Tod ihrer Großmutter aufgerüttelt, begibt sich die Studentin Eve auf die Spur eines Familiengeheimnisses, das in der kanadischen Wildnis wurzelt …

Der Autor

Thomas Thiemeyer, geboren 1963, studierte Geologie und Geografie, ehe er sich selbstständig machte und eine Laufbahn als Autor und Illustrator einschlug. Mit seinen Wissenschaftsthrillern und Jugendbuchzyklen, die etliche Preise gewannen, sich über eine halbe Million Mal verkauften und in dreizehn Sprachen übersetzt wurden, ist er mittlerweile eine feste Größe in der deutschen Unterhaltungsliteratur. Der Autor lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

Leseprobe

The Herald
MONTREAL I FRIDAY, OCTOBER 29, 1928 I QUEBEC’S OLDEST DAILY I SINCE 1778 I SPORTS FINAL
Die Totentrommeln des Mont Tremblant
Von unserem Sonderkorrespondenten Fréderic Clement

Ziemlich genau vor fünfzig Jahren ereigneten sich in der Bergregion nördlich der Kleinstadt Sainte-Agathe-des-Monts eine Reihe mysteriöser Vorfälle. Der Kurort, gelegen am Ufer des Lac des Sables, am Oberlauf des Riviere du Nord, entstand 1892 im Zuge des Baus der Canadian Pacific Railroad. Die Ortschaft war ursprünglich eine Niederlassung katholischer Frankokanadier und erhielt 1915 ihren Stadtstatus. Seither ist sie ein beliebtes Ausflugsziel der Montrealer. Im Zuge der Errichtung verschiedener Sanatorien sowie einer Klinik für Tuberkulosekranke entstanden etliche prächtige Villen, die der Stadt noch heute ihr unverwechselbares Aussehen verleihen.
Doch wer hierherkommt, spürt schnell, dass ein düsteres Geheimnis auf der Region lastet. Es ist, als könnten die umhegenden Berge, die wilden Flüsse und dichten Wälder nicht vergessen, was hier vor langer Zeit geschehen ist.

Mont Tremblant, der Zitternde Berg, liegt inmitten einer Wildnis, die jahrhundertelang ausschließlich von Indianern bevölkert wurde. Heute ein beliebtes Ausflugsziel, war er viele Jahrhunderte lang das spirituelle Zentrum der ortsansässigen Algonkinstämme. Er war ihr heiliger Versammlungsplatz und Heimstatt eines der bösartigsten Geister, die in den alten Erzählungen Erwähnung finden. Das Ungeheuer, das der Legende nach auf
der Spitze des Berges haust, soll seinen Opfern das Herz bei lebendigem Leib aus der Brust gerissen und durch einen Stein ersetzt haben. Die Betroffenen irrten noch tage- oder wochenlang durch die Landschaft, wurden sich und ihren Angehörigen fremd und starben schließlich unier schrecklichen Qualen. Immer wieder brachen in den folgenden Jahrzehnten Abenteurer auf, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, doch niemand konnte auch nur den kleinsten Hinweis auf die Existenz einer solchen Kreatur finden. Bis das Suchkommando der Royal
Canadian Mounted Police in diesen letzten Tagen des Novembers 1878 auf etwas stieß, was eine Welle der Betroffenheit im ganzen Land auslöste. Auf dem Gipfel waren die Schädel Hunderter von Menschen verscharrt worden. Kein Bestattungsplatz wohlgemerkt, sondern eine Opferstätte, die über Jahrzehnte hinweg Schauplatz grausamster Verbrechen gewesen sein musste. Untersuchungen ergaben, dass nicht nur Indianer zu den Opfern zahlten, sondern vor allem Weiße; Siedler. Holzfäller. Jäger, Landvermesser.

Einige der Mounties berichteten von merkwürdigen Klängen, die oben auf der Bergspitze zu hören gewesen waren Geräusche, die entfernt an das Schlagen von Trommeln erinnerten und sogar unier den Füßen zu spüren gewesen sein sollten. Schon bald verbreitete sich das Gerücht von den Totentrommeln der Algonkin.

Obwohl die Entdeckung jetzt bereits fünfzig Jahre zurückliegt und die Toten angemessen bestattet wurden, spukt noch immer der Schalten der Vergangenheit in vielen Köpfen herum.
Nicht unerwähnt bleiben sollte die Tatsache, dass die Entdeckung der Kultstätte mit einem Ereignis in Verbindung stand, das 1878 hohe Wellen schlug: die Verfolgung und Gefangennahme des Frauenmörders Nathan Blake. Rückblickend betrachtet, mag dieser Vorfall ebenso mysteriös erscheinen wie die Entdeckung der Kultstätte selbst, doch genau wie das Rätsel des Berges wird auch er vermutlich niemals vollständig aufgeklärt werden.

Sollten Sie sich also entschließen. Ihre nächsten Sommer- oder Winterferien in den zauberhaften Laurentinischen Bergen zu verbringen, lassen Sie sich die Stimmung nicht von alten Geschichten trüben. Genießen Sie Ihren Urlaub, fahren Sie Kanu,
angeln Sie mit Ihren Kindern, oder wandern Sie im Schnee. Und sollten Sie des Nachts in ihrem Zelt erwachen und glauben, die Totentrommeln der Algonkin zu hören, drehen Sie sich einfach um, und schlafen Sie weiter. Vermutlich waren es nur
ein paar herabfallende Steine oder Äste, die im Wind gegeneinandergeschlagen haben.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Quelle:

(wb)