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Der Präriebrand

Der Präriebrand
Wenn im Spätsommer das Gras verblasst und der raue Westwind über die endlosen Fluren Missouris fegt, dann hängt es in den angrenzenden östlichen Staaten wie ein leichter grauer Flor vor dem wolkenlosen Himmel. Wie in einem duftigen Schleier gehüllt erscheint die ihres blendenden Glanzes beraubte Sonne.

Höhenrauch nennen die Leute diese sich fast täglich wiederholende Erscheinung und schreiben diese im Allgemeinen den Präriebränden zu, welche besonders im Herbst über weite dicht begraste Flächen hineilen. Gleichgültig schaut der Stadt- und Landbewohner zu dem Höhenrauch empor, spricht vermutlich auch vom anhaltend guten Wetter, auf welches dieser hindeuten soll. Der Szenerie aber, von welcher der Westwind und der Rauch der Höhen erzählen könnten, und die in ihren Eindrücken auf das Gemüt zugleich furchtbar und erhaben, schreckenerregend und bezaubernd sind, gedenkt nur derjenige, welcher das entfesselte Element in seiner ganzen gewaltigen Pracht kennenlernte und, von den wilden Flammen verfolgt, den entsetzlichen Wettlauf um das Leben wagte.

Ich befand mich auf der Jagd mit meinen beiden indianischen Gefährten, Hug-ha und Scha-gre-ga-ge, zwei junge Omaha-Burschen, welche so treue Herzen unter ihrer kupferfarbigen Haut bargen, wie sie auch in der Brust eines weißen Mannes schlugen. Wir waren gut beritten, das herrlichste Wetter begünstigte uns, Wild war im Überfluss vorhanden, und es fehlte an nichts, was unseren Ausflug zu einem der angenehmsten zu machen versprach. Ungefähr in der Mitte des nördlichen Winkels zwischen dem Missouri und dem Nebraska haltend, zogen wir in nordwestlicher Richtung dahin. Das Dorf der Omaha blieb weit hinter uns zurück. Schon am zweiten Tag gelangten wir soweit, dass, wie auf dem ewigen Ozean, der sonnige Himmel gleichsam wie eine unermessliche Glasglocke auf der ebenen Fläche ruhte. Kleinen Flüsse und Bäche, an den spärlichen Baumgruppen an ihren Ufern um weithin erkennbar, schlängelte sich anmutig durch die Niederungen. Diese nachfolgend fanden wir vielfach Gelegenheit, uns reiche Beute zu sichern. Bald war es ein Hirsch, bald ein Truthahn oder Waschbär, was wir erlegten. Bereits am vierten Tag unserer Reise hatten wir die Pferde mit geräucherten und gedörrten Fleischstreifen sowie mit Fellen beladen, dass wir diese am Zügel führten und am folgenden Tag den Rückweg anzutreten beschlossen.

Es war um die Zeit, in welcher die indianischen Jäger begannen, Feuer in den Prärien zu legen, um dadurch noch vor Einbruch des Winters frisches Gras zu erzielen. Einzelne Rauchwolken hatten auch in der Tat schon seit mehreren Tagen vor dem südwestlichen Himmel gehangen. Da diese aber noch weit weg waren und der Wind mit einer gewissen Beständigkeit die nördliche Richtung beibehielt, hatten wir keinen Grund zur Besorgnis oder übermäßigen Vorsicht. In gewohnter Weise hielten wir einige Stunden Mittagsrast. Wir befanden uns am westlichen Rand einer breite Niederung, welche ein Bach ausgiebig bewässerte. Hohes saftiges Gras gewährte den Pferden gutes Futter, uns selbst einigen Schutz gegen die noch immer sengenden Strahlen der Sonne. Nachdem wir abgesattelt hatten, streckten wir uns daher hin und fielen bald in tiefen Schlaf. Zwei Stunden etwa waren in ungestörter Ruhe verstrichen, als uns plötzlich das heftige Schnauben der Pferde weckte. Wir sprangen empor und erblickten nicht wenig überrascht schwarze Rauchwolken, welche mit rasender Eile in geringer Höhe über uns hinzogen. Der Wind hatte die Richtung geändert. Geschützt von dem hohen schilfähnlichen Gras, wo wir gelegen, hatte weder der verstärkten Luftzug noch der Brandgeruch bis zu uns dringen können, was jedenfalls wenigstens die beiden Omaha aufgeweckt haben würde.

Auf dem ersten Blick erkannten wir die Gefahr, in welcher wir schwebten, denn es entging uns nicht, dass der Brand uns in kurzer Zeit erreichen musste, wenn wir nicht durch eine rasche Flucht oder durch Anzünden und Verbrennen des Grases in der Nähe uns dem drohenden Verderben zu entziehen suchten. Dumpfes Brausen und Poltern drangen an unser Ohr, als wir zu den Pferden sprangen, um die Sättel aufzulegen. Aber ebenso schnell nahmen wir wahr, dass es zu spät sei, um die Jagdbeute noch zu retten, und dass es der ganzen Kraft der unbeladenen Tiere bedürfe, um nur uns in Sicherheit zu bringen. Das Gras auf dem marschigen Boden war grün und saftig, und wenn es auch von dem Brand und der weit vorauseilenden Hitze gedörrt und zusammengeschrumpft, bei der leisesten Berührung der Flammen hoch aufloderte, so wären wir doch nicht imstande gewesen, in der kurzen Frist einen neuen Brand zu erzeugen. Es blieb nur noch der einzige Weg offen, durch die zwei englische Meilen breite Niederung zu fliehen und da, wo niedriges dürres Gras das Ansteigen des Bodens verriet, durch schnelles Feuer eine kleine Fläche von allem Brennbaren zu reinigen und zu unserer Aufnahme herzurichten.

Wie ergriffen daher unsere Jagdgerätschaften, und in der nächsten Minute sprengten wir mit aller Eile dahin, deren die verängstigten Tiere fähig waren. Es war ein schrecklicher Ritt, denn hemmend legten sich die Halme, welche unsere Schultern peitschten, um die flüchtigen Hufe. Zurückschauend erblickte ich die wilden Flammen, wie sie, schwarze Dampfsäulen empor sendend, sich knatternd über den nächsten Anhöhen wälzten und mit unglaublicher Schnelligkeit den Zwischenraum zwischen uns verringerten. Tiefer drückten wir die Sporen in die Weichen der keuchenden Pferde, und heftiger fielen die geschwungenen Lassos auf ihre triefende Haut. Weit aus griffen die Renner, doch schneller noch als sie setzte der staatliche Hirsch oder der verängstigte Hase vorbei, unbekümmert um vereinzelte Wölfe oder Füchse, welche, ihre Raubsucht vergessend, fast gleichen Schritt mit ihnen hielten.

Weiße Gabelweihen und braune Falken in großer Anzahl durchkreuzten wie spielend den dichten Rauch. Sausend schossen sie hinauf und wieder hinab, um nahe vor dem Feuer mit sicheren Fängen die kleinen Nagetieren zu ergreifen, die es vergeblich versuchten, dem doppelt drohenden Verderben zu entrinnen. Näher rückten wir der rettenden Anhöhe, aber näher rückten auch die Flammen, und flockenähnlich umwirbelte uns die weiße Asche. Da stürzte Hug-ha mit seinem Pferd zusammen. Ich versuchte anzuhalten, doch »Vorwärts!« gellte Scha-gre-ga-ge, und wie im Fluge überwanden wir die letzten 100 Schritte. Kaum hatten wir den abgestorbenen Rasen erreicht, als wir uns von den Pferden warfen und unverzüglich ans Werk schritten, einen neuen Brand zu erzeugen. Das Herz aber sank mir in der Brust, als ich unseres Gefährten gedachte, welchen wir, nach meiner Ansicht feigerweise zurückgelassen hatten. Mit vorwurfsvollem Ton sprach ich den Namen Hug-ha aus, als ich Scha-gre-ga-ge ein brennendes Stück Papier hinreichte, welches dieser geschickt unter einem Haufen zusammengebogener, trockener Halme hielt.

»Hug-ha wird kommen«, antwortete Scha-gre-ga-ge gleichmütig, »er wird kommen, wenn wir eine Stelle freigebrannt haben. Er wird kommen, um die Flammen harmlos vorüberziehen zu sehen. Er weiß, dass wir auf ihn nicht warten durften, wenn mir gerettet werden wollten. Er wird kommen, er wird kommen.«

Mit diesen Worten bog er immer neue Halme nieder, welche, im brennenden Zustand sich wieder aufrichtend, das Feuer schnell verbreiteten. Kaum eine Minute war nach unserer Ankunft verstrichen, als wir, die Pferde an der Leine führend, dem neuen abwärts treibenden Brand folgten und unsere Füße auf aschigen Boden und versenkte Stoppeln setzten. Wir waren gerettet, doch wo war Hug-ha?

Wie eine Lawine wälzte sich der schwarze Rauch heran, die Hitze, wie wir einatmeten, war unerträglich. Doch alle Gedanken an die eigenen Qualen traten zurück vor der schmerzlichen Besorgnis um den nach meiner Überzeugung untergegangenen Gefährten. Plötzlich aber vernahm ich heftiges Keuchen, der Rauch teilte sich auseinander, und ich erblickte zu meiner unsäglichen Freude den schlanken Hug-ha, der mit der Büchse auf der Schulter herbeisprang und sein störrisch gewordenes Pferd an der langen Leine auf die leergebrannte Fläche zu zerren trachtete. Wir eilten ihm zu Hilfe, und unseren vereinten Anstrengungen gelang es, das arme Tier in dem Augenblick zu retten, als die Flammen an ihn hinaufleckten und den schönen, wohlgepflegten Schweif mit Gedankenschnelligkeit kahl sengten.

Während ich nun die Ausdrücke der Freude über Hug-has Eintreffen und unsere Rettung nicht zurückzuhalten vermochte, benahmen sich die beiden Brüder, als ob durchaus nichts Ungewöhnliches vorgefallen sei, und schienen den Verlust des Pferdeschweifes und der Jagdbeute höher aufzuschlagen, als unser glückliches Entkommen. Auch verstand ihrer Zeichen und ihrer Sprache, um zu erkennen, dass sie darüber beratschlagten, in welche Richtung wir ziehen müssten, um das vor dem Feuer geflüchtete erschöpfte Wild zu finden und eine Verheerung unter diesem anzurichten.

Die Flammen, als sie die von allem Brennbaren gesäuberte Stelle erreichten, hatten sich unterdessen geteilt, und vom wütenden Sturm gepeitscht, brausten sie zu beiden Seiten an uns vorüber, so, um den jüngst erzeugten Feuerstreifen einzuholen, der, sich schnell ausdehnend, lustig vorauseilte und Millionen von Funken und verkohlten Grasteilchen emporwirbelte. Die Pferde zitterten und bebten, und in der Tat war das ein Anblick, der sogar das stärkste Männerherz ergreifen musste.

Da, wo wenige Minuten vorher üppiges Gras, wenn auch herbstlich gefärbt, die weiten Niederung schmückte, und wo samenschwere Halme sich feierlich wiegten, da erblickte man ein ödes, dampfendes Aschefeld. Als ob das Bild des Todes zu vervollständigen, ragten hin und wieder geschwärzte Büffelschädel und Hirschgeweihe hervor, welche von früheren erfolgreichen Jagden zeugten, nachdem das verbergende Gras verschwunden war.

Auf der anderen Seite dagegen tobte der wilde Brand in seiner ganzen Pracht unaufhaltsam dahin. Dumpfes Sausen und Knattern begleiteten den endlosen Feuerstreifen. Blutrot beleuchtet erschienen die rollenden Rauchmassen, die, von dem heftigen Wind niedergedrückt, den Verderben bringenden Flammen vorauszogen, gleichsam die Geschöpfe warnend, welchen die Mittel fehlten, das entfesselte Element selbst siegreich zu bekämpfen.

Lange stand ich und blickte mit innigster Bewunderung auf das erhabene Schauspiel. Selbst meine indianischen Gefährten schienen nicht unempfindlich gegen dergleichen Eindrücke zu bleiben, denn auf geheimnisvolle Weise flüsterte Hug-ha, indem er auf den Feuerstrom wies: »Das ist der rächende Manitu.«

Die Pferde am Zügel führend, folgten wir langsam einer Regenschlucht, wo kleine Rasenflächen, welche der Brand übersprungen und verschont hatte, zum Lagern einluden. Die Dämmerung stellte sich ein, der Wind erstarb, und, nicht mehr abhängig von den Luftströmungen, stiegen die mächtigen Rauchsäulen bis in die Wolken hinein. Als aber nächtliches Dunkel sich auf die Ebene senkte, prangte der östlichen Horizont in stets wechselnder magischer Beleuchtung. Bald hoch auflodernd, bald wie Irrlichter flackernd und hüpfend, je nachdem das Feuer auf üppigere oder kärglichere Nahrung stieß, schlich der Brand langsam über die fernen Bodenerhebungen. Sowohl über der noch unberührten Steppe als auch über den Flammen und dem schwarzen Aschefeld glänzten mit mildem Licht die ewigen Sterne.