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Der Welt-Detektiv Band 6

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Geisterschloss Dohlenstein – Kapitel 1

Geisterschloss Dohlenstein
Abenteuer eines flüchtigen Pariser Studenten
Eine Geister- und Räubergeschichte
Kapitel 1 – Die Flucht

Theodor, ein munterer und aufgeweckter Kopf, welcher damals auf der Universität in Paris seine Studien machte, hatte das Pech, sich mit dem Sohn einer vornehmen Familie zu schlagen, und diesen im Duell tödlich zu verwunden. Theodor, welcher wohl überlegte, dass er nicht länger in einem Land bleiben könne, in dem er jeden Augenblick Gefahr laufe, von den Häschern ergriffen und sein Leben verlieren könnte, wusste nichts Eiligeres zu tun, als unverzüglich die Flucht zu ergreifen, um möglichst sein Dörfchen zu erreichen, welches am Rhein lag. Als Bauer verkleidet, einen Stock in der Hand, hatte er bereits eine Strecke von 40 Stunden größtenteils zur Nachtzeit zurückgelegt. Da kam er am fünften Tage in einen sehr großen Wald. Bereits drei Tage irrte er in diesem herum. Die Straße getraute er sich nicht zu benutzen, und so kam er oft wieder an denselben Ort, von wo er in das Waldstück gegangen war. Die wenigen Nahrungsmittel, mit denen er sich eingedeckt hatte, waren erschöpft. Der Himmel bedeckte sich mit dicken schwarzen Wolken, ein Nordwind brauste auf, und die hereinbrechende Nacht gönnte dem Bedrängten keinen Lichtstrahl, der ihm das Auffinden einer Felsenhöhle möglich machte, um sich vor dem furchtbaren Wetter zu schützen. Nach dem Sturm folgte ein mattes nebliges Licht, nur zuweilen erleuchtete ein Blitz den Weg. Schon verkündeten starke Tropfen Wasser einen nahen reichen Regenguss. Da bemerkte er ein mattes Licht, das in einiger Entfernung zwischen den Bäumen leuchtete. Alle seine Leiden, alle seine Furcht schwanden in diesem Augenblick. Er schlug seinen Weg in diese Richtung ein. Bei jedem Schritte strauchelte sein Fuß an Baumwurzeln und in der dicht verwachsenen Heide, oft verlor er das Licht aus seinen Augen und fand es dann von Neuem wieder. Er kam zu einer Hütte, welche große und dicht aneinander stehende Bäume allen Blicken von außen entzogen. Der Regen hatte unterdes angefangen, in Strömen vom Himmel zu fallen. Kräftig klopfte Theodor beherzt an die Tür.

»Schon da!«, rief eine kreischende Stimme. »Heute ist die Arbeit von kurzer Dauer gewesen. Oder solltest du das schlechte Wetter gescheut haben?«

Bei diesen Worten öffnete eine Frau die Tür und war darüber sehr erstaunt, vor dieser einen Mensch vorzufinden, den sie nicht erwartet hatte.

»Was wollen Sie hier?«, sagte sie.

»Meine Liebe, Ihr seht, welch ein furchtbares Wetter hier draußen ist. Seit drei Tagen irre ich in diesem Wald, ohne dass ich einen Ausweg finden kann. Gestattet mir nur ein Nachtlager und gebt mir etwas zu essen.«

Als er sah, dass sie Anstalten machte, ihn aufzunehmen, fügte er hinzu: »Übrigens, seid ohne Sorgen, ich bin imstande, Euch jeden geringen Dienst, den Ihr mir leisten werdet, zu bezahlen.«

»O! Verzeihen Sie, dass ich Vorsicht walten ließ, bevor ich Sie hereinlassen gedachte. Bedenken Sie doch, dass man sich in dieser Wildnis nicht jedem anvertrauen darf, der kommt und anpocht. Man sieht sich doch von dem Wenigen, was man hat, nicht gern beraubt.«

»Beruhigt Euch, meine Liebe, ich bin nicht imstande, Euch das geringste Leid anzutun. Vielmehr bin ich froh, wenn man mich in Ruhe lässt.«

»Sie führen doch einige Waffen versteckt bei sich?«

»Nein! Noch einmal gebe ich Euch die Versicherung, dass ich in der friedfertigsten Absicht diese Schwelle betrete.«

»Nun dann, so treten Sie ein. Ich will Sie bewirten, so gut ich kann.«

»Ihr sollt keinen Undank dafür von mir ernten.«

Bei diesen Worten führte ihn die Wirtin in ein ziemlich geräumiges Zimmer, das recht ordentlich eingerichtet war und zugleich als Küche und Schlafgemach diente. Der Fremde wurde mit einem Stück schwarzem Brot, einem Krug Wein und einem Rest Hasenbraten bedient. Nachdem er seinen Hunger ein wenig gestillt hatte, dachte er daran, seine Wirtin einmal genauer zu betrachten. Diese stand vor dem Tisch und schien ihn schon geraume Zeit mit scharfen Augen betrachtet zu haben.

Sie müsste ungefähr 45 Jahre alt zu sein. Eine blasse Gesichtsfarbe, trübe und tief liegende Augen gaben ihr ein finsteres Ansehen, was den Betrachter sehr zurückschreckte. Dabei war sie von großem Wuchs und einem starken Körperbau. Er sammelte sich bald und fragte, ob sie diese Hütte allein bewohne.

»Ich lebe hier mit meinem Mann, der ein Köhler ist. Diese Waldungen, die nur einige Meilen vom deutschen Gebiet entfernt liegen, gehören dem Marquis von Villaflor, von dem Antonio – dies ist der Name meines Mannes – für einige kleine ihm geleistete Dienste die Erlaubnis erhielt, diese Wohnung zu bauen und in der Umgebung sein Gewerbe zu betreiben.

Diese einfache Bewandtnis beruhigte den Studenten. Er schämte sich über seinen Argwohn, den er gegen sie geschöpft hatte, und bat sie, ob sie nicht ein Bett für ihn habe, in dem er sich von seinen Anstrengungen erholen und bis zum nächsten Tag das schöne Wetter abwarten könne.

»Ich habe oben ein Zimmer, welches vormals meinem Sohn als Schlafgemach diente.

Der gute Junge! Er hatte das Pech, als er mit seinem Vater vor einigen Monaten im Walde arbeitete, sein Leben zu verlieren.«

»Mein Gott! Wie kam das denn?«

»Ach! Ersparen Sie mir diese Erinnerung daran, sie würde nur meinen Schmerz erneuern. Sie sind mit dem essen fertig, darum gehen Sie nach oben in Ihr Zimmer! Sie werden das Bett neu überzogen vorfinden. Ach! Am Tag, an welchem der arme Junge sterben musste, verrichtete ich dies Geschäft auch.«

Der Student nahm eine Lampe, die ihm seine Wirtin anbot, sagte dieser eine gute Nacht und stieg eine kleine Treppe hinauf, an deren Ende er zwei Türen fand, von denen die eine zu einem kleinen Fruchtboden, die andere aber zu der Kammer führte, in der er sein Nachtlager aufschlagen sollte.

Nachdem er seine Tür sorgfältig verschlossen hatte, war er im Begriff, zu Bett zu gehen. Auf einmal befiel ihn eine plötzliche Unruhe, und er beschloss, sich vor Ankunft seines Wirtes nicht schlafen zu legen. Das, was seine Fantasie noch mehr mit schwarzen Bildern umstrickte, war, dass vor dem einzigen Fenster des Zimmers dichte starke Eisenstangen befestigt waren, wodurch ihm notfalls jeder Ausweg zu einer Flucht versperrt blieb. Ihm ward bange, und er entschloss sich, der Frau sein Abendessen reichlich zu bezahlen und sich dann von Neuem dem ungestümen Wetter auszusetzen. Schon wollte er diesen Entschluss ausführen. Er hatte bereits die Tür leise geöffnet und war im Begriff, die Treppe hinabzusteigen. Da hörte er es plötzlich heftig an die Haustür pochen. Er blies schnell sein Licht aus und verharrte auf der obersten Stufe der Treppe.

»Ah! Diesmal ist er es,« sagte die Frau hocherfreut für und öffnete die Tür.

»Tod und Teufel«, schrie ein Mensch, der sogleich eintrat, »welch abscheuliches Wetter! Fünf lange Stunden saß ich auf dem Anstand, zwei Stunden habe ich einen schrecklichen Sturm und ein fürchterliches Donner- und Hagelwetter aushalten müssen und kein Spitzbube von Reisenden lässt sich sehen!«

»So bin ich doch erfolgreicher gewesen als du. Das Fischchen ist von selbst in die Reuse gelaufen.«

»Wie das?«

»Ein junger Mensch, als Bauer gekleidet, aber mit gefüllter Börse, da müsste ich mich schlecht darauf verstehen, wenn da keine Verkleidung dahinter steckte. Er sagte mir, dass er sein Nachtlager gut bezahlen wolle. Oh, gewiss, das soll er. Der hat die Taschen voll.«

»Still doch! Sei nicht so unvorsichtig!«

»O, er schläft. Er war sehr müde, und ich habe ihn sorgfältig die Kammer verschließen hören, aber …«

Die Wirtin redete ganz sanft, ihr Mann tat ein Gleiches, und Theodor konnte nur noch ein bedeutungsvolles leises Geflüster vernehmen.

Was konnte er nur tun? Er war ganz ohne Waffen, selbst seinen Stock hatte er unten in der Stube stehen lassen. Ohne Geräusch trat er in seine Kammer zurück, schloss die Tür ab, ging zum Bett, nahm die Matratzen heraus und bewaffnete sich mit einem Stück Holz für jeden möglichen Zufall.

In dieser schrecklichen Erwartung verstrich wohl eine volle Stunde. Das Gespräch der beiden Eheleute verstummte, und Theodor fing selbst an, dies zu seinen Gunsten zu deuten. Da hörte er plötzlich ein Geräusch, das sich an der Mauer, dem Bette gegenüber vernehmen ließ. Sogleich postierte er sich unweit des Fensters, wo das Geräusch am stärksten war. Zu seinem großen Erstaunen sah er, dass sich dort eine Falltür öffnete, die er zuvor nicht bemerkt hatte. Eine Leiter, die man in das untere Zimmer gestellt hatte, führte nach oben. Unten an der Leiter stand eine Lampe, die nur ein ganz mattes Licht in das obere Zimmer warf. Auf der Leiter, sich mit dem Oberkörper durch die Falltür hindurchzwängend, stand der Köhler mit einem breiten Jagdmesser in der Hand und wollte heimlich eindringen. Da sah der junge Mann seine Zeit gekommen, fasste mit beiden Händen das aus dem Bett entnommene Stück Holz und versetzte damit dem Einsteigenden einen so heftigen Schlag, dass dieser zurückstürzte und durch seinen Sturz die unten stehende Lampe auslöschte.

»Alles schon erledigt?«, rief das Weib und näherte sich tappend der Leiter. ,,Du hast ihn sicherlich nicht verfehlt, und zu dem werde ich nicht verfehlen, ihm den Rest zu geben.« Bei diesen Worten versetzte sie dem Leichnam mehrere Dolchstiche.

»Warum kommst du denn nicht herunter«, sprach sie weiter, »oder währt dir die Zeit zu lange, um zu sehen, wie hoch sich die Beute beläuft? Warte, ich will die Lampe wieder zünden.«

Inzwischen hatte sich Theodor des Jagdmessers bemächtigt, das beim Sturz seines Feindes aus dessen Hand gefallen war. Er legte schnell seine hölzerne Waffe weg, weil ihm diese unnütz schien. Nach kurzem Überlegen, ob er die Leiter oder Treppe hinabsteigen sollte, entschloss er sich, den letzteren ihm sichereren Weg einzuschlagen, und erschien gerade in dem Augenblick in der Stube, wo die Frau das Licht wieder angezündet hatte. Bei einem Geräusch, das er zu verursachen nicht umgehen konnte, drehte sie sich um. Mit Entsetzen erblickte sie den, den sie ermordet glaubte. Schnell griff sie ein Paar am nahen Kamin hängende Pistolen und drückte eine davon auf ihn ab. Aber der Schreck hatte sich ihrer so bemächtigt, dass sie ihr Ziel verfehlte und die Kugel in das Treppengeländer einschlug. Der Student ließ ihr keine Zeit, die zweite Pistole abzufeuern, sondern gab ihr einen starken Schlag auf die linke Hand, dass sie die Waffe zu Boden fallen ließ. Die Furie wollte sich auf ihr Opfer werfen. Aber er drehte die Spitze seines Messers ihr zu und streckte sie zu seinen Füßen.

Entsetzen ergriff den jungen Studenten in dieser Mördergrube. In stetem Lauf suchte er sich schnell vom Ort des Verbrechens zu entfernen. Das Wetter hatte sich etwas beruhigt. Ein Bauer, der ihm begegnete, begleitete ihn bis an das Ende des Waldes. Nachdem er diesen dafür belohnt hatte, eilte er mit schnellen Schritten der nur noch wenige Meilen entfernten Grenze zu.

Glücklich gelang es Theodor, die jenseitige Grenze unbeschadet zu erreichen. Man kann sich sicherlich vorstellen, wie sehr seine zusammengepresste und geängstigte Brust wieder frei aufatmen konnte. Das Erste, was er tat, war, dass er auf seine Knie niedersank und Gott für seine Rettung auf das Innigste dankte.

Nachdem er durch Erkundigungen erfuhr, dass seine Heimat noch ungefähr 12 Meilen entfernt sei, raffte er von Neuem alle seine Kräfte zusammen, um diesen Weg in kürzester Zeit zurückzulegen, zumal seine Barschaft nicht so glänzend war, wie es sich die Alte vorgestellt hatte und bereits bis auf wenige Taler zusammengeschmolzen war.

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