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Jackson – Teil 46

Alles oder nichts

»Ich hoffe, du weißt, was du da sagst. Jack reißt mir den Kopf runter, wenn ich den Anschluss an seinen Truck verliere.«

»Vergiss Jack, ich sage dir, da stimmt was nicht. Halt endlich an!«

»Das kann ich nicht!«

Trotzdem schaltete der Fahrer einen Gang herunter, nahm den Fuß vom Gas und ließ den Lkw langsam ausrollen.

Mir blieb fast das Herz stehen. Wenn der Wagen jetzt anhielt und die beiden Männer nach hinten kamen, waren wir geliefert. Dann gab es nichts mehr, was uns noch hätte retten können.

Ein Blick zur Seite zeigte mir, dass Yalla von dem gleichen Gedanken beseelt war.

Aber wir hatten Glück.

Kurz bevor der Truck endgültig zum Stehen kam, ertönte in dem vorausfahrenden Lastwagen eine herrische Stimme. Das laute Organ des Sprechers, der bis zum Anschlag aufgedrehte Lautstärkeregler der Funksprechanlage und die heruntergekurbelte Fahrerscheibe sorgten dafür, dass wir in unserer hölzernen Transportkiste jedes Wort verstehen konnten.

»Verdammt Pete, was soll die Scheiße, hast du sie nicht mehr alle? Du kannst doch hier nicht anhalten, vor allem nicht um diese Zeit! Oder hast du vergessen, was sie damals mit Mikes Wagen gemacht haben?«

Mike war, wie ich von Yalla wusste, jener Trucker, der es bisher als Einziger gewagt hatte, während der Mittagszeit im Gebiet des Iswa eine Rast einzulegen. Darüber, was danach geschah, lag heute noch der Mantel des Schweigens, aber es muss schrecklich gewesen sein. Der knapp vierzigjährige Mann bekam über Nacht schlohweiße Haare und setzte sich nie wieder hinter das Steuer eines Tanklastwagens. Der Wagen selber fuhr bei seiner Ankunft in Perth nur noch auf Felgen. Die Reifen und der gesamte Unterbau des Lkws hatten angeblich ausgesehen, als wären sie in einen Reißwolf gefallen.

»Aber ich habe da was gesehen, ehrlich Jack, ich …«

»Ist mir egal, was du gesehen hast. Es gibt nichts, wofür es sich lohnt, dafür das Risiko auf sich zu nehmen, von diesen verdammten Biestern entdeckt zu werden. Hast du mich verstanden?«

Die Antwort kam erst Sekunden später.

»Ja, aber ich dachte …«

»Überlass das Denken mir, dafür werde ich schließlich bezahlt. Und jetzt gib endlich Gas oder ich sorge dafür, dass du den Rest der Strecke zu Fuß laufen kannst.«

Die Aussicht darauf ließ Pete schnell sein Vorhaben vergessen. Der Motor des Lastwagens heulte auf und es krachte und knackte im Getriebe, als Pete einen höheren Gang einlegte. Rasch gewann der Tankwagen an Fahrt, was dem Sprecher im vorderen Wagen ein zufriedenes Grunzen entlockte.

Auch Yalla und ich waren erleichtert, je schneller der Wagen wurde.

Bis zum Nachmittag passierte nichts. Das Gelände um uns herum wurde langsam hügeliger und unübersichtlicher.

Wir wurden in unserem Versteck ordentlich durchgeschüttelt und ich musste mich einige Male beherrschen, um nicht laut aufzuschreien, nachdem ich wieder einmal mit dem Kopf gegen das Holz der Kiste geknallt war, weil der Truck unverhofft in ein Schlagloch geriet.

»Wenn dieses Geschaukel nicht bald aufhört, breche ich mir hier drinnen noch sämtliche Gräten.«

»Meinst du vielleicht, mir geht es anders?« Yalla schien es keinen Deut besser zu ergehen. Wie zur Bestätigung ihrer Behauptung schob sie ihr Hemd bis zu den Brüsten hoch.

»Sehr schön«, entfuhr es mir bei dem Anblick der beiden wippenden, apfelförmigen Gebilde.

Yalla musterte mich völlig konsterniert, bis ihr klar wurde, dass ich nicht auf die vier oder fünf blauen Flecke starrte, die ihren Oberkörper zierten, sondern auf ihre Brüste.

Ihr Blick verfinsterte sich.

»Verdammter Macho, interessiert dich außer meinen Titten eigentlich sonst noch was an mir?«

Als Antwort beugte ich mich vor, küsste zärtlich ihre linke Brust und zog ihr danach wieder züchtig das Hemd über die Hose.

»Ja«, sagte ich dann. »Ich zeige es dir, sobald wir aus diesem Schlamassel herausgekommen sind.«

 

***

 

Mit Einbruch der Dunkelheit steuerten die beiden Tankwagen auf ein Felsplateau zu, auf dem die ersten Anzeichen einer befestigten Straße zu sehen waren.

Schilder, ein asphaltierter Untergrund, hier und da eine vereinzelte Laterne.

Wir näherten uns allmählich der Zivilisation.

Das Rütteln und Schütteln ging übergangslos in ein angenehmes Vibrieren über, als die Lastwagen statt der buckligen Wüstenpiste plötzlich Asphalt unter den Rädern hatten.

Kurz darauf hielten die beiden Trucks am Straßenrand an.

Hintereinander, nicht nebeneinander, unsere Glückssträhne hielt offensichtlich weiterhin an.

Während die beiden Männer unseren Tankwagen verließen und nach vorne liefen, machten wir uns daran, die Werkzeugkiste so schnell wie möglich zu verlassen. Die Männer trafen sich neben der Fahrerseite des vorderen Trucks und öffneten unter großem Hallo ein paar Dosen Castlemain Bitter Beer.

Ihr Lachen und die Erleichterung, das Gebiet der Iswa schadlos durchquert zu haben, machte es uns einfach, in das Führerhaus zu kommen. Ich hatte seit meiner Armeezeit so ziemlich alles gefahren, was Räder hatte, deshalb war ich sicher, auch mit diesem Truck zurechtzukommen.

Im Fahrerhaus angekommen, nickte ich zufrieden. Das Cockpit des Trucks war mir vertraut.

Ich gab Yalla meine Waffe, damit sie die Männer in Schach halten konnte, während wir losfuhren, und drehte den Schlüssel.

Der Motor begann zu röhren. Es klang wie das Brüllen eines gereizten Drachens, aber dann setzte er sich in Bewegung. Ich hatte offensichtlich zu viel Gas gegeben, denn der Wagen begann etwas zu schlingern.

Von vorne rannten die Männer heran. Sie schrien wie die Verrückten und wedelten mit den Armen. Ihre Gesichter waren verzerrt vor Überraschung und vor Wut.

Ich sah es im Licht der Scheinwerfer.

Einer von ihnen zog einen Revolver.

Yalla feuerte, ohne zu zögern. Sie traf den Mann in die Schulter.

Die anderen stoben auseinander, als wäre in ihrer Mitte eine Bombe explodiert.

Ich stoppte den Truck ein letztes Mal.

»Haut ab, Jungs«, brüllte ich und legte den Leerlauf ein. »Oder die nächsten Kugeln treffen besser.«

Ich hatte es mir anders überlegt.

Ich wies Yalla an, die Männer in Schach zu halten, und stieg aus.

Der Revolver in ihrer Hand hielt die Kerle davon ab, sich auf mich zu stürzen, obwohl ich in ihren Gesichtern sah, dass sie nichts lieber als eben dieses getan hätten. Ich öffnete die Motorhaube des vorderen Tankwagens und begann nach einem prüfenden Blick, Schläuche und Kabel, die zur elektronischen Einspritzpumpe sowie zur EBS führten, als auch die Ölleitung und die Kraftstoffzufuhr mit meinem Messer zu bearbeiten. Innerhalb von Sekunden machte ich den Riesentruck mit ein paar kleinen Schnitten sozusagen unbrauchbar.

Natürlich vergaß ich auch das Funkgerät nicht.

Die Männer begleiteten mein Tun mit wilden Flüchen, die mich verfolgten, bis ich wieder in unserem Lastwagen saß.

Ich nickte Yalla zu und sie zerschoss mit zwei, drei gezielten Schüssen die Vorderreifen.

Die Wut der Männer kannte jetzt keine Grenzen mehr.

Sie warfen Steine auf das Führerhaus.

Ich ignorierte es und drückte auf die Tube.

Der Truck wurde immer schneller.

 

***

 

»Wohin?«, rief ich gegen den Lärm des dröhnenden Motors an.

»Bleib einfach auf der Straße. Immer geradeaus, spätestens morgen sind wir am Ziel.«

Ich fragte nicht weiter, sondern konzentrierte mich aufs Fahren. Ich verließ mich einfach auf Yalla, sie kannte das Land und hatte bis jetzt immer gewusst, was sie tat.

Obwohl die Fahrt mit dem Tanklastzug nicht gerade ein Zuckerschlecken war, ließ allmählich die innere Anspannung in mir nach. Langsam begann ich zu begreifen, was geschehen war.

Wir hatten es tatsächlich geschafft.

Die Flucht war geglückt, wenigstens zum größten Teil.

Wir waren frei!

Frei!

Ich drehte kurz den Kopf und starrte auf Yalla.

Sie hockte neben mir auf dem Beifahrersitz, nickte mit dem Kopf und wiederholte immer wieder ein und dasselbe Wort.

»Ja, ja, ja!«

Dann lachte sie mich an.

»Wir haben es geschafft, Jackson. Hast du gehört? Wir haben es geschafft!«

»Ja, zur Hölle. Obwohl ich lange Zeit nicht daran geglaubt habe.«

»Aber ich!«, behauptete Yalla. »Ich wusste es, weil ich dich als Partner neben mir hatte. Mir war von Anfang an klar, dass man es nur zu zweit schaffen kann. Einer alleine hat keine Chance gegen beide Fahrergespanne und zu dritt hast du nicht genügend Platz in der Werkzeugkiste, um dich zu verstecken. Zwei ist das optimale Team, einer lenkt die Männer ab, der andere kümmert sich um den Truck.«

Ich nickte und lenkte den Lkw über die Straße.

Ich fuhr nicht besonders schnell, obwohl uns die Zeit unter den Nägeln brannte. Aber ich wollte das Fahrzeug nicht übermäßig beanspruchen, außerdem wusste ich nichts über seine Tücken oder Macken. Uns war nicht damit geholfen, liegen zu bleiben.

Das Land wurde immer hügeliger.

Wir fuhren auf eine Bergkette zu.

Irgendwann zeigte Yalla nach links auf einen Durchlass zwischen den Felsen.

»Da vorne ist Endstation, jedenfalls für den Truck.«

»Und dann?«

Yalla grinste. »Lass dich überraschen!«

Fortsetzung folgt …