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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jackson – Teil 45

Die Freiheit winkt

Es mussten Hunderte sein, pelzige augenlose Wesen, die nur aus zwei Fühlern und einem Maul voller Zähne zu bestehen schienen.

Sie umgaben uns wie ein lebender Teppich. Mit ihren beiden Füßen, die bis auf einen kurzen, knochigen Wust direkt am Körper saßen, waren sie zwar nicht besonders schnell, aber ihre unendliche Zahl machte diesen Umstand mehr als wett.

Es war ein geradezu groteskes Bild.

Dieser lebende Teppich bedeckte fast das gesamte Innere der Hütte, den Boden, die Wände, die Möbel, sogar Teile der Decke. Er teilte sich nur an den Stellen, an denen wir uns befanden, um sich in einem Umkreis von etwa zwei Yards um uns herum sofort wieder zu schließen. Jedes Mal, wenn ein paar vorwitzige Iswa versuchten, doch näher zu kommen, begannen ihre Fühler wie Espenlaub zu zittern.

Die Wesen schüttelten sich und suchten dann sofort das Weite. Die Geräusche, die sie dabei von sich gaben, klangen, als litten sie unter Brechreiz.

Der Saft der Landiswurzeln schien uns tatsächlich vor diesen Biestern zu schützen.

Zielstrebig steuerte Yalla das Bett an, das an der Nordwand der Hütte stand. Anscheinend wollte sie dort den Einbruch der Dunkelheit abwarten.

Sie gab mir ein paar knappe Handzeichen und ich nickte zustimmend.

Der Platz war gut gewählt.

Bis zur Dunkelheit waren es noch eineinhalb Stunden und der bequemste Platz in der ganzen Hütte war nun einmal dieses Bett. Hinzu kam, dass wir auf seiner Liegefläche mindestens einen halben Yard über den umherwuselnden Iswa thronten und so jede ihre Bewegungen verfolgen konnten. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt war der Umstand, dass wir eine Wand im Rücken hatten, die durch den Geruch des Wurzelsaftes frei von diesen Biestern war.

Yalla rollte die Decke zusammen und wir machten es uns bequem.

Ich versuchte, eine Unterhaltung anzufangen, in die ich immer wieder Fragen einstreute, durch deren Antworten ich diese verrückte Welt besser zu verstehen erhoffte.

Yalla ging aber nur teilweise darauf ein.

Während ich noch überlegte, wie ich sie wohl aus der Reserve locken könnte, beugte sie sich plötzlich vor und starrte zu dem einzigen Fenster der Hütte hinüber, das genau gegenüber dem Bett lag. Gleichzeitig bemerkte ich, dass die Iswa zu unseren Füßen immer nervöser wurden.

»Es wird bald dunkel«, sagte Yalla. »Sie fangen an, sich in ihre Höhlen zurückzuziehen.«

Ich riskierte einen Blick über den Bettrand.

Tatsächlich, die pelzigen Biester verfielen allmählich in hektische Betriebsamkeit.

In diesem Moment geschah etwas, das mir die Gefährlichkeit der Iswa auf erschreckende Art und Weise vor Augen führte.

 

***

 

Vor dem Fenster erschienen plötzlich zwei dreieckige Schatten, die in geradezu atemberaubender Weise vor unseren Augen hin und herhuschten. Selbst ohne großartige Zoologiekenntnisse war mir klar, dass hier gerade ein Raubvogel versuchte, Beute zu machen.

Sein Opfer hatte nicht die geringste Chance.

Bereits mit dem zweiten Sturzflug gelang es dem Raubtier, seine ausgestreckten Krallen in den Balg des bedauernswerten Vogels zu schlagen.

Federn stoben, und für einen Atemzug hing ein schrilles Krächzen in der Luft, das nur eine Kreatur ausstoßen konnte, die den sicheren Tod vor Augen hatte.

Danach überschlugen sich die Ereignisse.

Es musste Schicksal sein oder so etwas wie höhere Bestimmung, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wie sonst war es zu erklären, dass die beiden ineinander verkrallten Vögel bei ihrem Sturz zurück zur Erde ausgerechnet durch das kleine Fenster unserer Hütte hereinflatterten. In einer Wolke aus Staub und Federn rollten die beiden durch den Raum, wo sie keine Sekunde später ihr Schicksal ereilte.

Der Boden unter uns schien plötzlich zu kochen.

Ein schriller Vogelschrei, und dann waren mit einem Mal unzählige, schnappende, reißende, pelzige Iswa da, die über die Vögel hinwegfluteten und binnen zwei Sekunden nicht mehr als eine Handvoll blank genagter Knochen hinterließen.

Schweiß trat auf meine Stirn, als ich mir vorstellte, dass uns ohne diesen Wurzelsaft schon längst dasselbe Schicksal ereilt hätte. Kurze Zeit später legte sich die Dämmerung wie ein dunkles Tuch über das Land und plötzlich schien es, als hätte es die Iswa nie gegeben.

Für einen Moment noch fiepten sie wie aufgeregte Murmeltiere, auf deren Bau ein Adler zugeflogen kam, dann, in der nächsten Sekunde, waren sie auch schon alle in ihren unterirdischen Höhlen verschwunden.

Yalla wartete mit dem Aufstehen noch, bis es völlig dunkel war, dann beugte sie sich zur Seite und öffnete ein kleines Schränkchen, das neben ihr am Bett stand. Sie warf mir eine der beiden Stablampen zu, die sich darin befanden, und zog sich ungeniert neben mir aus.

Obwohl ich wusste, in was für einer brenzligen Situation wir uns befanden, konnte ich es nicht verhindern, dass ich plötzlich einen trockenen Mund bekam.

»Ich denke kaum, dass dies der richtige Moment ist, mich scharf zu machen.«

Sie lächelte und streckte mir ihre wunderschönen Brüste aufreizend entgegen. Wie mit Absicht strichen ihre Hände langsam über jede Kurve ihres Körpers.

»Ich weiß, ich wollte dir nur mal wieder zeigen, was du an mir hast.« Dann wandte sie sich lachend ab, lief aus dem Haus zum nahen Fluss hinunter und wusch sich im Schein der Stablampe den stinkenden Wurzelsaft vom Leib.

»Dieses verdammte Luder«, dachte ich, zog mich aus und folgte ihr.

Am Fluss wuschen wir uns gegenseitig das weiße Zeug von der Haut. Es war wichtig, keine Stelle zu übersehen, denn sobald die Sonne aufging, würden wir wieder zu stinken anfangen. In diesem Zustand war es unmöglich, sich vor den Fahrern der Tankwagen zu verbergen.

Als wir wieder zurück in der Hütte waren und in unsere Kleider schlüpften, staunte ich immer noch, wie leicht sich das weiße Zeug hatte abwaschen lassen und vor allem, wie schnell der Gestank verschwunden war. Ich wollte gerade etwas zu ihr sagen, als ich in der Ferne Motorengeräusche hörte.

Yalla eilte zum Fenster und prüfte den Stand der Gestirne.

»Sie sind diesmal ziemlich spät dran. Bis sie hier sind, ist es fast schon wieder hell.«

»Das hängt vielleicht mit unserer Flucht zusammen. Inzwischen dürfte es wohl jeder mitbekommen haben, dass wir getürmt sind«, mutmaßte ich.

Sie nickte.

»Wahrscheinlich hast du recht. Sie werden deshalb vermutlich nur frisches Wasser aufnehmen und dann gleich weiterfahren. Deshalb sollten wir langsam nach einem Platz suchen, an dem sie uns nicht sehen können. Am besten, wir warten hier in der Nähe der Hütte auf ihre Ankunft. Mit den schweren Lkws kommen sie nicht bis runter zum Fluss. Sobald sie dann ihren Wasservorrat auffüllen, verstecken wir uns im letzten Wagen.«

»Und wo dort?«, fragte ich skeptisch.

Ich wusste ungefähr, wie so ein Tanklastzug aussah, deshalb konnte ich mir nur schwer vorstellen, wo sich bei diesem Laster zwei Menschen verstecken konnten, ohne gesehen zu werden. Meines Wissens nach bestand das Ding nämlich nur aus einem Führerhaus, etlichen Rädern und einem blanken Metallgestell, auf den ein riesiger Tank anstelle einer Ladefläche montiert war. Nicht gerade das beste Terrain, um Verstecken zu spielen.

Yalla schien das anders zu sehen, sie grinste die ganze Zeit voller Vorfreude.

Kurze Zeit später war es dann soweit.

Mit unüberhörbarem Motorenlärm und einem lauten Zischen der Druckluftbremsanlagen kamen die beiden Riesenlaster keine zehn Schritte vor der Hütte zum Stehen. Dann öffneten sich die Türen der beiden Fahrerhäuser und vier Männer sprangen in den Sand.

Es war genau so, wie es Yalla vorhergesagt hatte.

Keiner der vier nahm sich auch nur eine Minute Zeit, sich etwas genauer umzusehen.

Wie die Kastenteufel hasteten sie zum Fluss hinunter. Ein jeder von ihnen hatte dabei einen Wassersack und mindestens zwei Wasserflaschen in den Händen.

»Schneller, schneller!«, schrie einer von ihnen immer wieder. »In spätestens einer halben Stunde müssen wir wieder von hier verschwunden sein, sonst haben wir diese Pelzmonster am Arsch.«

Ein Blick auf den ersten hellen Streifen am Horizont zeigte mir, dass sich der gute Mann um mindestens eine Stunde verschätzte, aber ich ließ ihm seinen Glauben. Je weniger Zeit sie hatten, umso nervöser und hektischer waren sie und achteten überhaupt nicht auf ihre Umgebung. Wir nutzten das aus und kamen von Osten her an den hinteren der beiden Wagen heran. Als wir das Ende des Tanklastzugs erreicht hatten und ich dort den Aufbau mit der großen Holzkiste sah, wurde mir klar, wo sich Yalla zu verstecken beabsichtigte. Das Ding war so breit wie ein Sarg und so hoch, dass wir bequem darin sitzen konnten. Das einzige Problem war, dass diese Kiste mit allerlei Zeug zugemüllt war, das uns den Platz versperrte.

 

***

 

Während Yalla Schmiere stand, warf ich alles, was nicht niet- und nagelfest war, aus der Kiste. Seile, Schaufeln, Positionslichter, Werkzeug. Wir versteckten das Ganze hinter einer nahen Buschgruppe und schaufelten Sand darüber, und glauben Sie mir, wenn das eigene Überleben von solchen Dingen abhängt, kann man in zehn Minuten eine ganze Menge verstecken und mit Sand zuschütten.

Wir saßen dann kaum in der Kiste und hatten es uns so bequem wie möglich gemacht, als auch schon das Geräusch zuschlagender Türen durch den Wüstenmorgen hallte. Kurz darauf brüllten die Motoren wieder auf, durch den Lkw ging ein Ruck und dann setzten wir uns langsam aber stetig in Bewegung.

Plötzlich hörte ich einen der Männer im Führerhaus brüllen. Ich verstand ihn deshalb so gut, weil er das Seitenfenster heruntergekurbelt hatte.

»He, halt mal an. Ich habe da hinten was gesehen, ich glaube, da stimmt was nicht.«

Zu unserem Entsetzen wurde der Lastwagen langsamer.

Ich glaube, wenn ich so zurückdenke, damals, in diesem Moment, war ich kurz davor, mir vor Angst in die Hose zu machen.

Fortsetzung folgt …