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Ein mutiger Pater

Ein mutiger Pater

Das Leben in Klöstern war geprägt von Stille, Abgeschiedenheit, Beten, körperlicher Arbeit und dem Studium für Männer. Die Regeln bestimmte der jeweilige Orden. Wer einmal das Ordensgelübte ablegte, war bis an sein Lebensende daran gebunden. Ein Austritt war schwierig. Dass nicht alle Kirchenmitglieder das Wort Gottes mit Liebe und Sanftmut weitergaben, ist allgemein bekannt. Nonnen und Mönche, die gegen die Klosterregeln verstießen, wurden auf das Grausamste bestraft. Von Härte und Unbarmherzigkeit, aber auch Mut, erzählt die folgende Geschichte.

Mitten in Wien, am Neuen Markt, befindet sich der Kapuzinerorden, in dem heute13 Brüder seelsorgerischen Tätigkeiten nachgehen und sich ihren Studien widmen.

Die Gründung ging auf Kaiserin Anna zurück, die den Wunsch hegte, nahe der Burg neben einem Kloster auch eine Begräbnisstätte zu errichten. 1622 begann der Bau, der durch den Dreißigjährigen Krieg nur langsam voranschritt.

In den Memoiren von Pater Innocentius, mit bürgerlichen Namen Ignaz Aurelius Feßler, ist folgende Begebenheit niedergeschrieben.

In einer Februarnacht 1782 wird Pater Innocentius von einem Laienbruder geweckt, der ihm mitteilt, dass er ihm auf Anordnung des Guardian folgen soll. Der Pater begleitet den Bruder durch finstere Gänge tief in den Keller. Ein Ort, wo er noch niemals war. Hinter einer verschlossenen Tür liegt ein Greis im Sterben. Pater Innocentius, der als Einziger der Kapuzinermönche der ungarischen Sprache mächtig ist, soll dem Sterbenden ungarischer Herkunft das Sterbesakrament spenden. Der Pater bleibt bei dem alten Mann, der schon lange die Sprache verloren hatte, bis seine Seele die Erde verlässt. Bevor er den Laienbruder zu sich ruft, der ihn mit dem Sterbenden alleine gelassen hatte, sieht er sich in der Zelle um. Ein kleines, schmutziges Gefängnis, in der der alte Mann verwahrloste.

Seine Fragen beantwortet der gesprächige Laienbruder ausführlich. Der Tote war Pater Nikomedes, der vor 52 Jahren eingesperrt wurde, weil er den Prior einen Dummkopf genannt hatte. Als »Löwenwärter« habe er Aufsicht über die Löwen, so die Bezeichnung der Gefangenen. Der Pater kann sich für diesen schlechten Witz nicht begeistern.

Das Grauen packt Pater Innocentius. Schon lange zweifelt er an den Lehren der römisch-katholischen Kirche. Der Gedanke an diese Barbarei lässt ihn nicht los. Irgendwie muss er den Kaiser auf diese Missstände aufmerksam machen. Doch das ist ein sehr gefährliches Unterfangen und kann ihm dieselbe Strafe einbringen. Einen Studenten, der schon öfters Botengänge für ihn erledigte, schickt er mit einem streng geheimen Brief zu Kaiser Joseph II. Darin beschreibt er die Gräuel im Kapuzinerkloster und bittet den Kaiser, seinen Namen nicht zu verraten, da es ihm sonst als Verräter schlecht ergehe.

Der Kaiser nimmt die Botschaft ernst und entsendet eine Untersuchungskommission in das Kapuzinerkloster. Der Guardian gibt sich ahnungslos, doch Pater Innocentius hat in seinem Brief an den Kaiser den genauen Weg in die Kerker beschrieben. Die Männer der Kommission befreien mehrere Mönche aus ihren Verliesen, einige bereits dem Wahnsinn verfallen. Ein Greis, der noch immer klar im Kopf ist, sieht nach 53 Jahren Dunkelheit das Sonnenlicht wieder.

Kaiser Joseph II. ordnet sofort in allen Klöstern Visitationen, um solchen Barbareien ein Ende zu setzen. Um Pater Innocentius vor möglichen Folgen seines Handelns zu schützen, ruft er ihn als Lektor für orientalische Sprachen und Altes Testament an die Universität Lemberg.

Bevor er abreisen kann, wird ein Attentat auf ihn verübt. Das Reisegeschenk des Hofsekretärs, ein Dolch, rettet ihm das Leben, als sich ein Klosterbruder eines Nachts mit einem Messer auf ihn stürzt.

Pater Innocentius war ein weitblickender Mann und seiner Zeit voraus. Nach Lemberg ließ er sich in Berlin nieder, bis ihn Zar Alexander I. nach St. Petersburg rief. Dort starb er 1839 im Alter von 83 Jahren.

Quellen:

(ah)