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Jürgen Ehlers – Nur ein gewöhnlicher Mord

Jürgen Ehlers – Nur ein gewöhnlicher Mord

Im Juli 1939 wird in Schröders Park in Hamburg die Leiche einer Frau mittleren Alters gefunden. Die Tote hat zahlreiche Schnitt-, Stich- und Schlagverletzungen, ihr Gesicht wurde mit einem Messer unkenntlich gemacht und ihr Schädel mit dem Teil einer Gehwegplatte aus Beton eingeschlagen.

Kommissar Wilhelm Berger von der Hamburger Kripo und sein Team ermitteln zunächst, dass es sich bei der Toten um Inez Reuther handelt, die geschieden und sehr wohlhabend war.

Zuerst denken die Polizisten an Raubmord, dann aber finden sie auch noch andere Motive, die infrage kommen. So hatte die Tote ein ausschweifendes Liebesleben und feierte mit vielen Männern aus gehobenen Gesellschaftsschichten Sexpartys in ihrer teuren Wohnung. Die Ermittler halten es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass ein eifersüchtiger Verehrer der Ermordeten der Täter ist.

Außerdem könnten auch die beiden Töchter von Inez Reuther ein Motiv haben. Da ihre Mutter sehr viel Geld ausgab, also praktisch ihr Erbe verschleuderte, könnten sie sie getötet haben, um noch etwas davon zu bewahren.

Im Laufe der weiteren Ermittlungen erfährt Kommissar Berger dann, dass die Tote wenige Stunden vor dem Mord mit einem geheimnisvollen Unbekannten telefoniert hat. Hat dies etwas mit dem Mord zu tun? Und um wen handelt es sich bei der Besucherin aus Polen, die ebenfalls an Inez Reuthers Orgien teilgenommen hat?

Bei seinen Ermittlungen landet Berger schließlich im Bett der Tochter der Toten, der er aber den Mord nicht zutraut. Er beichtet dies seiner Frau Dagmar, die als Halbjüdin im Deutschland der Nazizeit einen schweren Stand und ihre jüdische Tochter bereits zu deren Vater, Dagmars erstem Ehemann, in die USA geschickt hat.

Während Dagmar mit ihrem Sohn Horst aus der Ehe mit Berger ein Schiff nach Indien besteigt, reist der Kommissar allen Warnungen zum Trotz nach Polen, um die Spur der Polin aufzunehmen, die in den Kreisen Inez Reuthers verkehrte. Als er aber dort ankommt, greifen Hitlers Truppen gerade Polen an, und der Kommissar wird als Feind zunächst verhaftet. …

 

Man merkt bei diesem historischen Kriminalroman sehr schnell, dass die Mordgeschichte, die er birgt, eher zweitrangig ist, während die historischen Fakten, die er behandelt, im Vordergrund stehen, nämlich die Nazizeit und der Zweite Weltkrieg.

Der Mord an der reichen Inez Reuther, die ein Leben voller Lust und Orgien führte, was durchaus typisch für solche Kreise in dieser Zeit war, ist nur ein gewöhnlicher Mord, während der Bromberger Blutsonntag und die übrigen Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs, die vor allem von Deutschland ausgingen, durchaus nicht gewöhnlich sind.

Jürgen Ehlers, der die in diesem Roman beschriebenen historischen Geschehnisse detailliert und akribisch recherchiert hat, zeigt dem Leser sehr deutlich, zum Beispiel wie bei der Gestapo gefoltert wurde, dass die SS in Polen aufgefordert war, die Intelligenz dieses Landes auszurotten, und dabei nicht nur die erwachsenen Akademiker erschoss, sondern auch die Oberschüler und jugendliche Pfadfinder. Im Rahmen dieser Säuberungsaktionen beobachtete der eine SS-Mann den anderen, damit keiner von ihnen Milde walten ließ. Diese Bespitzelung untereinander erfasste dann das ganze deutsche Volk, wie man vielen anderen Berichten aus dieser Zeit entnehmen kann.

Auch die Vorgänge im Deutschland dieser Zeit beschreibt der Autor detailliert, wie zum Beispiel die Repressalien gegen Juden oder die Erpressung eines Polizisten, der seine Verwandten schützen will, zu einer Falschaussage, um nur einige der Unrechtstaten zu nennen, und nicht einmal die schlimmsten.

Fazit:
Jürgen Ehlers hat mit Nur ein gewöhnlicher Mord einen historischen Kriminalroman der Extraklasse verfasst, der deutlich aufzeigt, dass ein banaler Mord in den beschriebenen Zeiten nahezu gar nicht ins Gewicht fiel.

Die Geschichte um Kommissar Wilhelm Bergers Familie und die Erlebnisse des Kommissars in Polen während des Einmarsches der Wehrmacht sind um ein Vielfaches spannender, als die Mordermittlung in diesem Buch. Ich selbst habe diesen Roman verschlungen und kann ihn dem Leser, der am Alltag in der Nazizeit und am Zweiten Weltkrieg interessiert ist, nur empfehlen.

Der Autor

Jürgen Ehlers ist im Mai 1948 in Hamburg geboren und aufgewachsen. Er studierte Geographie, ist promoviert und lebt heute mit seiner Familie auf dem Land.

Seine Kurzkrimis, die er seit 1992 schreibt, wurden im In- und Ausland veröffentlicht. Außerdem gibt er selber Krimianthologien heraus. Er ist Mitglied in der Crime Writer’s Association und im Syndikat, beides Kriminalautorenvereinigungen.

Ehlers verfasste u.a. eine Reihe historischer Kriminalromane um den Kommissar Wilhelm Berger. Die Serie beginnt 1917 und behandelt das Ende des Kaiserreiches, die Weimarer Republik, das Nazireich und die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbh.
  • Foto des Autors. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH.

(ww)