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Andrea Jennings – Wildes Land

Wildes Land

Aus verschiedenen Gründen zog es Lehrerinnen in den Westen. Vor allem konnte das Unterrichten von Kindern, Jugendlichen und teilweise auch Erwachsenen ein wenig zur wirtschaftlichen Stabilität derjenigen Frauen, welche nach Selbstständigkeit und eigenem Grund und Boden strebten, beitragen. Eine erstaunlich hohe Anzahl von Lehrerinnen hielt an diesen Ansprüchen fest, in dem sie sich voll und ganz dem Unterrichten zuwendeten. Des Weiteren gab die Übersiedelung in den Westen den Frauen die Hoffnung, das furchtbare Gespenst der Ehelosigkeit hinter sich zu lassen, da die Anzahl der Männer im Grenzgebiet die Anzahl der Frauen bei Weitem übertraf.
Eine Lehrerin aus Montana erinnerte sich: »Ich hatte mich dafür entschieden, in den Westen zu gehen und in einer Schule zu unterrichten. Mein Zuhause war in Missouri, wo ich mit fünf Brüdern und einer jüngeren Schwester aufwuchs. Vor allem meine Mutter und ich haben immer auf das Mannsvolk gewartet. Sicherlich musste eine Schullehrerin im Westen nicht so hart arbeiten wie wir zu Hause. Außerdem gab es ja damals viele eifrige Männer, die auch einer Lehrerin so manche Arbeiten abnahmen.«
Viele Schulleiterinnen des Grenzgebiets fanden im Westen tatsächlich Männer, was zu einer enormen Fluktuation unter den Lehrern führte, da es verheirateten Frauen nicht erlaubt war, zu unterrichten. Nach den 1870er Jahren hatten mehr als 25 Prozent aller amerikanischen weißen Frauen während ihres Lebens eine Zeit lang unterrichtet. Und es machte keinen Unterschied, wer dies tat.

In ihrem Debütroman Wildes Land greift die Autorin Andrea Jennings diese Thematik auf und führt den Leser in einen der hintersten Winkel von Colorado. Teile dieser wahrlich interessanten Story waren von Mai 2010 bis September 2011 als Serie Colorado Sunrise unter ihrem Pseudonym Montana auf dem Geisterspiegel online. Auf Wunsch der Autorin gaben die Herausgeber des Onlinemagazins die Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte an sie zurück, sodass Andrea die Serie umschreiben und ausbauen konnte, um sie als Printausgabe herausbringen zu können. Es ist für uns um so erfreulicher, einer jungen Autorin mit dem Geisterspiegel ein Sprungbrett geboten zu haben, um bei einem Verlag ihr Erstlingswerk publizieren zu können.
Tauchen Sie ein in das Leben vergangener Tage, in der es Annehmlichkeiten, die für uns selbstverständlich sind, nicht gab. Begleiten Sie Francesca Sedwick, die jäh aus einem Leben in Wohlstand und gesellschaftlichem Ansehen herausgerissen wird, auf ihrem Weg. Unschuldig des Mordes verdächtigt, verlässt sie ihre Familie und flieht. Doch die Vergangenheit holt sie ein …

Das Buch

Andrea Jennings
Wildes Land
Romance-Western, Paperback, Brighton Verlag, Ober-Flörsheim, Juni 2014, 164 Seiten, 19,90 Euro, Kindle Edition 12,99 Euro, ISBN 9783945033586, Umschlagillustration: Johann Pos, Satz, Umschlaggestaltung: Ernst Trümpelmann
Kurzinhalt:
Auf ihrer Flucht vor der Vergangenheit landet die aus dem Osten stammende Francesca Sedwick unter falschem Namen im hintersten Winkel Colorados. Ihre charmante, naive Art in so manches Fettnäpfen zu steigen, die Sitten und Gebräuche der Hinterwäldler und der Sheriff, der zu oft durch ihre Gedanken geistert, bringen ihr Leben gehörig durcheinander. Als der Mörder ihres Ehemannes ihrer Spur folgt und sie von Banditen entführt wird, drohen die Ereignisse zu eskalieren …

Die Autorin

Die Österreicherin Andrea Jennings bestreitet ihren beruflichen Alltag als kaufmännische Angestellte. Bücher begleiten sie seit ihrer Kindheit. Irgendwann entstand der Wunsch, selbst zu schreiben und einige Veröffentlichungen in Anthologien verschiedener Genres erfolgten.

Ihr großes Interesse gilt der amerikanischen Pionierzeit und den Natives und es entstand der erste Romance-Western.

Als Mitarbeiterin des Onlinemagazins Geisterspiegel verfasst sie unter dem Pseudonym Montana historische Artikel.

Leseprobe

Coldwell, Colorado 1871

Sie hatte es satt, von einer Postkutschenstation zur nächsten zu fahren, von einer miesen Stadt zur anderen. Hier würde sie bleiben. Diese Stadt war so gut wie jede andere. Mae wusste nicht, wie viele Wochen sie schon auf der Flucht war, hatte aufgehört, die Tage und Nächte zu zählen, in denen sie sich einsam und verloren fühlte. Ohne Privatsphäre, ohne die Möglichkeit, sich gründlich zu pflegen. Sie hatte in Hotels genächtigt, die diesen Namen nicht verdienten. Manche Betreiber vermieteten die Betten in den primitiven Bretterhütten an zwei Personen gleichzeitig, und sie musste mehrmals mit einer fremden Frau in ein und demselben Bett schlafen. Wobei an Schlaf gar nicht zu denken gewesen war, in einem Raum voll stinkender, schnarchender Menschen. Um den Schein des Anstandes zu wahren, hatte man quer durch den Raum eine schäbige Decke aufgehängt, um die Geschlechter voneinander zu trennen. Manche Nächte hatte sie vor sich hin dösend auf einem Stuhl verbracht. Die Angst im Rücken, sie könnte verhaftet werden, war allgegenwärtig. Sie erschrak, als die Kutschentür aufgerissen wurde.

„Ich nehm Sie huckepack, wenn Sie wollen.“

Einen Augenblick starrte sie den Kutscher wortlos an. Da sie seit der letzten Station die einzige Passagierin war, meinte er wohl sie. War er verrückt? Er konnte doch nicht wirklich annehmen … Doch. Sein treuherziger Blick in einem von Wind und Wetter geprägten Gesicht mit einem Schnurrbart, der ihm ungepflegt über die Lippen reichte, sagte genau das. Er roch nach nassem Leder und Schweiß. Mae blickte an ihm vorbei, und plötzlich fand sie sein Angebot gar nicht mehr so abwegig. Tagelanger Regen hatte den Boden in eine morastige Sumpflandschaft verwandelt. Die Himmelsschleusen waren inzwischen geschlossen, doch die Stadt versank in einem Meer aus Schlamm und Matsch.

„Das ist sehr nett von Ihnen, doch ich versuche es selbst.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. Er zuckte die Schultern und reichte ihr die Hand, um ihr aus der Kutsche zu helfen. Sofort versank sie bis zu den Knöcheln im Morast. Soweit es Anstand und Sitte zuließen, hob sie den Rock. Bei jedem Schritt spritzte Schlamm nach allen Seiten, Mantel und Rock waren im Nu mit dem Matsch beschmiert. Für einen Augenblick lang wogte Groll gegen ihren verstorbenen Mann hoch, den sie ebenso schnell wieder unterdrückte. Zum Glück waren es nur wenige Meter, bis sie den Bretterboden vor der Postkutschenstation erreichte. Der Kutscher trug ihre beiden Taschen, drückte mit dem Ellenbogen die Türschnalle hinunter und vergaß, ihr den Vortritt zu lassen. Hinter ihm betrat sie die Station, die aus einem einzigen kleinen Raum bestand. Während sich der Kutscher mit dem Angestellten unterhielt, ging sie zum Fenster und wischte über das dreckige, leicht beschlagene Glas. Die unansehnlichen Schlieren auf ihrem Handschuh quittierte sie mit einem abfälligen Blick. Mit dem gleichen Blick starrte sie hinaus auf die menschenleere Straße. Dunkle Wolken hingen schwer über den Dächern. Coldwell hatte der Kutscher die Stadt genannt, die diesen Ausdruck nicht verdiente. Hier im Westen wurde bereits eine Ansammlung von wenigen Hütten und Baracken als Stadt bezeichnet. Welch Unterschied zu New York, wo das Leben pulsierte. Das Bild, das sich ihr bot, war genau so grau und trist, wie sie sich fühlte. Leblos. Wo war ihr Leben geblieben? Ihr Leben in Wohlstand und Glück? Es war ihr entglitten, zerbrochen wie feines Porzellan. Alles musste sie zurücklassen, sogar ihren Namen. Ein einziger Augenblick hatte alles verändert. Die letzten Wochen waren ein erbarmungsloser Lehrmeister gewesen. Sie lernte schnell, dass das Leben außerhalb der Welt, in die sie hineingeboren worden war, ganz anders aussah. Gefährlich, rücksichtslos und brutal. Wer sich nicht behaupten konnte, war zum Untergang verurteilt. So gut es ging, hatte sie näheren Kontakt zu den primitiven Menschen vermieden, die ihren Weg kreuzten. Schon an der Ausdrucksweise war zu erkennen, wie wenig Bildung sie hier besaßen. Ihre Barschaft war bald aufgebraucht und sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Wovon sollte sie leben? In ihrem alten Leben hatte sie als ausgezeichnete Gastgeberin und Klavierspielerin brilliert, glänzte auf Teepartys und Wohltätigkeitsveranstaltungen, fertigte ausgezeichnete Stickereien, doch so etwas war hier nicht gefragt. Sie beherrschte keine Dinge, die lebensnotwendig waren, wusste nicht einmal, wie sie sich eine Mahlzeit zubereiten sollte. Sie war immer gottesfürchtig gewesen und verstand nicht, warum dies alles geschah. Von einem Augenblick auf den anderen hatte sie alles verloren. Ein Teil von ihr war gestorben, als sie gegangen war, denn das, was sie zurückließ …

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung der Autorin

(wb)

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