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Westernkurier 09/2014

Ranch life

Auf ein Wort, Stranger,

heute beschäftigen wir uns mit der Thematik, wie es in jenen Jahren auf einer Ranch zugegangen sein könnte. Und unter uns: Vieles hat sich in all den Jahren trotz Fortschritts bis in die heutige Zeit nicht verändert.

Das Ranchleben auf offenem Weideland konnte durchaus etwas wild und einsam sein, aber es war für den Rancher ebenso frei und machte ihn unabhängig wie sein Vieh, welches ungehindert mehr als eintausend Hügel durchstreifte. Als Wohnsitz für eine Familie mit Frau und Kindern war eine Ranch aufgrund von Isolation und Mangel an sozialen und erzieherischen Vorzügen nicht erstrebenswert; aber für einen Mann, welcher gern ohne Komfort lebte, übte dies eine außerordentliche Faszination aus. Freiheit konnte Einsamkeit und Unabhängigkeit sowie Monotonie bedeuten, doch für eine Saison war es sehr amüsant. Wie alles andere konnte das Ranchleben anstrengend und ermüdend werden, wenn es zu lange ohne jegliche Veränderung geführt wurde, aber das Neue übte einen Charme aus, welcher sich zum größten Teil als unwiderstehlich erwies.

Das Ranchleben war durch das Festhalten am Überlieferten ungebunden und wurde nicht durch geschäftliche Sorgen belastet. Es war ein einfaches natürliches Leben, das frei von allen Arten von Druck geführt werden konnte. Es entlastete die Spannungen einer konstruierten Existenz und ließ Sorgen und Ärger vergessen. Die Zeit verging wie im Flug, und die vollständige Abgeschiedenheit und Ruhe gab der Natur eine Chance, um sich weit weg von den Behausungen der vergrämten Männer auszuruhen und zu erholen.

Das Umfeld des Ranchlebens wirkte sich fördernd auf die Gesundheit aus. Die Landschaft ist auch heute noch herrlich, die Luft rein und erfrischend, das Essen gesund und nahrhaft, die Couch bequem und der Schlaf wohltuend. Laufen und Reiten förderten die notwendigen Bewegungen, welche die Natur einem abverlangte. In der Tat konnte bisher nichts Besseres zum Stimulieren von trägen Organen als das Reiten auf dem Pferd gefunden werden. Es regt die Leber an, bewirkt eine tiefe Atmung, stärkt Herz, Kreislauf sowie Nerven und macht Appetit, der wiederum eine gute Verdauung bewirkt. Ein Leben in der freien Natur ist oft besser als Medizin und ein Allheilmittel für die existierenden Missstände.

War der Rancher im Einklang mit seiner Umgebung, fand er eine nie versiegende Quelle der Freude. Seine Bedürfnisse stellten sich als gering und einfach heraus. Das freie Leben, das er lebte, entwickelte in ihm eine starke und stabile Männlichkeit. Er strotzte vor Gesundheit, war den ganzen Tag über glücklich und zufrieden.

Während seiner frühen Tage war das Grenzland Tummelplatz für raue und gesetzlose Kerle jeglicher Couleur. Diese Zeit gehörte der Vergangenheit an, als sich die Viehdiebe entweder gebessert hatten und gute Bürger geworden sind oder das Land über die Minen- oder Rauschgiftrouten verließen. Die Veränderungen in jenen Jahren waren so drastisch, dass es nie wieder möglich war, zu den Lebensumständen zurückzukehren, die in der frühen Besiedelung des Westens bestanden und Desperados einen sicheren Unterschlupf gaben. Die Menschen, die nun dort lebten, unterschieden sich kaum von denjenigen des zivilisierten Ostens. Man musste sie wie Gold nur etwas aufpolieren, um ihren wahren Charakter zum Glänzen zu bringen.

Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte gab es vergleichsweise wenig Möglichkeiten oder Neigungen zu kriminellen Handlungen. Was auch immer jemand tat, fiel auf, und alles, was passierte, wurde sofort zur Sprache gebracht. Der Tummelplatz für Laster und Verbrechen lag nicht in den dünn besiedelten Gemeinden der öffentlichen Meinung zum Trotz, sondern in den Ballungszentren, in den Großstädten, wo die Versuchung, etwas Böses in der dunklen Abgeschiedenheit der engen Straßen und Gassen zu tun, sich bereits im Vorfeld mit der Menge vermischte und mit ihr verschmolz, ohne dabei aufgedeckt zu werden. Der Rancher verdiente es, anhand seines wahren Charakters und nicht nach unsinnigen Maßstäben beurteilt zu werden, die raffiniert konstruiert wurden, um ihn falsch darzustellen oder zu Unrecht in Misskredit zu bringen. Obwohl dem Rancher ein etwas grobes Äußeres nachgesagt wurde und nicht wie ein Gentleman aus der Stadt daherkam, welcher wie eine Modepuppe über die Mainstreet stolzierte, hatte er unter seinem schlichten, aber zweckmäßigen Gewand ein Herz, welches aufrichtig war und der Rancher jedermann, der in Nöten war, mit Sympathie und Freundlichkeit begegnete. Seine Großzügigkeit und Gastfreundschaft waren sprichwörtlich ohne Konkurrenz. Männer und Frauen aus allen Schichten der Bevölkerung, unter ihnen auch College-Absolventen und Professoren, versuchten sich in der Viehzucht, hatte nicht immer das Glück auf ihrer Seite und mussten zahlreiche Rückschläge in Kauf nehmen. Stärke, Tugend und Intelligenz der amerikanischen Nation jener Zeit spiegelten sich ihrer großen Mittelschicht wider, die sich größtenteils aus Farmern und Handwerkern zusammensetzte, aus Männern und Frauen, die mit ihren Händen arbeiteten, ein einfaches natürliches Dasein lebten und so beschäftigt waren, dass sie keine Zeit hatten, um über Unheil nachzudenken. Aus dieser Schicht gingen alle großen Männer und Frauen des Landes hervor. Obwohl das Arbeitsleben in jenen Jahren schwer gewesen sein mochte, entsprach es den Gesetzen der Natur und begünstigte die Entwicklung des Guten, was dem Menschen eigen ist. Wer sich vor der Arbeit drückte, verpasste seine Chance. Was auch immer dazu benutzt wurde, um sich von der Arbeit ablenken zu lassen, schwächte einen nur. Luxus und Bequemlichkeit ließen den Rancher sehr schnell »entarten« und im sozialen Gefüge nach unten abrutschen. Er konnte zwar temporär ein sorgenfreies Leben genießen, doch war dieser Zustand für ihn auf Dauer tödlich, wenn ihm finanzielle und materielle Mittel nicht mehr zur Verfügung standen.
Auf der Ranch bewegte man sich fast ausschließlich auf dem Rücken der Pferde fort, denn zu Fuß waren die oft langen Wege nur langsam und beschwerlich zu meistern. Selbst Fuhrwerke erwiesen sich oft als unpraktisch oder unmöglich, um über Land zu reisen. Wenn sich der Ranger frühmorgens auf sein Pferd schwang, um seine täglichen Runden zu machen, hatte er ein klares Ziel vor Augen. Er war Herrscher über all seine Ländereien und besaß praktisch die Erde bis zu Horizont, da seine Nachbarn oft viele Meilen entfernt lebten. Die durchschnittliche Ranch war nicht darauf ausgerichtet, wie es in vielen Filmen verklärt dargestellt wird, Reichtum anzuhäufen. Die Interessen des Unternehmens waren darauf ausgerichtet, Rinder zu züchten. Für gewöhnlich bewohnten die Männer in der Nähe einer Quelle oder eines Flusses für eine Saison lang das sogenannte »Hirschcamp«, eine einfache Hütte im Ranchstil. Für unnötige Verbesserungen wurde kein Geld ausgegeben, doch für Reparaturen jeder Dollar verwandt, wenn auch mehrmals umgedreht. Die Möbel in der Hütte waren von einfachster Art und dienten nur gegebener Notwendigkeiten. In der Speisekammer fand man keine Luxuswaren, doch die Küche brachte so manchen Leckerbissen auf den Tisch. Jeder Mann hatte die für ihn bestimmten Arbeiten zu verrichten und dort auszuhelfen, wo es notwendig war: es sei denn, dass die Anzahl der erwerbsfähigen Männer groß genug war, um die Dienstes eines Koches in Anspruch zu nehmen. War dies nicht der Fall, wurde erwartet, dass jeder im Haushalt aushalf. Auf der Ranch galt ein ungeschriebenes Gesetz, dass derjenige, der sich vor solchen Arbeiten drückte, sich entweder auf der Stelle besserte oder seinen Job kündigte. Dies kam jedoch selten vor, dass diese Regel umgesetzt werden musste. Doch von Fall zu Fall bestand die Notwendigkeit, dass jeder Mann imstande sein musste, eine Mahlzeit vorzubereiten, besonders dann, wenn man Tage und Wochen fernab der Ranch unterwegs war und über keinen Koch verfügte. Entweder man kochte oder verhungerte.
Zur Ausrüstung des Cowboys zählten unter anderem sein Pferd und seine Reata. Sie waren seine ständigen Begleiter und dienten ihm zu jedem Zweck. Seine Arbeit schloss so manch hartes Reiten ein, welches er außerordentlich genoss, wenn ihm kein Unfall widerfuhr. Doch ungeachtet der Geschwindigkeit, in welcher er das Vieh zusammentrieb, war er für jedes Missgeschick selbst verantwortlich, wenn sein Pferd, obwohl trittsicher, in ein Loch eines Präriehundes geriet oder auf einem losen Felsbrocken ins Straucheln kam und Pferd samt Reiter stürzten. Er konnte sich in solchen Situationen glücklich schätzen, wenn er unverletzt oder mit ein paar Prellungen davonkam, und nicht mit Knochenbrüchen oder sogar mit einem Genickbruch.
Seine Tätigkeiten umfassten unter anderem das Abreiten des Geländes und der Überprüfung des Zustandes der Rinder, die Kontrolle und Instandsetzung des Weidezaunes, das Suchen nach Quellen und Wasserlöchern und deren Sauberhaltung, das Branding der Kälber und Ochsen für den Viehmarkt sowie die Unterstützung in den allgemeinen Tätigkeiten des Round-up. Jeder Tag hatte seine Pflichten und jede Jahreszeit ihre besonderen. Und trotzdem gab es genügend Freizeit im Verlaufe eines Jahres. Nachdem sein Tagwerk vollbracht war, nahm er notwendige Reparaturen am Haus vor oder ritt zu einem abgelegenen Lager, wenn ihn die Nacht eingeholt hatte, und suchte dort vorläufigen Schutz. Jede große Ranch verfügte über ein oder mehrere solcher Lager an günstig gelegenen Punkten. Dort konnte sich der Cowboy ausruhen und eine spärliche Mahlzeit einnehmen.
Im Winter verbrachte er die langen Abende vor dem offenen Feuer, las oder sinnierte im Licht der brennenden Holzscheite oder einer Talgkerze stundenlang vor sich hin. War er in Gesellschaft, beteiligte er sich an den Gesprächen und Scherzen. Zu früher Stunde begab er sich zu Bett und fiel bis zum Morgengrauen in einen erholsamen Schlaf. Nach dem Frühstück schwang er sich in seinem markanten und charakteristischen Outfit mit breitem Hut, blauem Flanellhemd, gefransten Chaparajos und klirrenden Sporen auf sein Pferd und brach in der perfekten Art eines galanten Caballeros zu seiner Arbeit auf.

(copolymer)