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Jackson – Teil 26

Aus und vorbei

»Klettere die Leiter hoch!«, brüllte ich Linda zu. »Um Gottes willen, klettere endlich die Leiter hoch.«

Es war die einzige Möglichkeit, die uns noch blieb.

Hinter uns lag absolute Dunkelheit und vor uns schraubte sich etwas aus der dunklen Brühe des Abwasserkanals in die Höhe, dessen Anblick nicht nur mich in Panik versetzte.

Eine schlammbraune Albtraumgestalt, die ihren Schädel mit weit geöffneten Kiefern nach vorne schob.

Unsere einzige Chance war die Leiter.

Man hatte sie bestimmt nicht zum Spaß an dieser Stelle angebracht. An ihrem Ende musste es einen Ausgang geben, durch den wir entkommen konnten.

Angetrieben von nackter Angst hangelten wir uns wie die Affen an dem Stahlgeländer hoch.

Dabei warf ich immer wieder einen Blick über die Schultern und beobachtete das Ungeheuer. Die Bestie bestand aus einem beinahe zehn Fuß langen, schlangengleichen Körper, an dessen oberen Ende ein melonengroßer Schädel prangte, der nur aus einem klaffenden Rachen und zahllosen Reihen nadelspitzer Zähne zu bestehen schien.

Einen entsetzlichen Augenblick lang verharrte das Monster beinahe regungslos und musterte uns aus riesigen Augen, gleich denen eines schlitzäugigen Asiaten, nur tausendmal größer.

Aber nur für einen Augenblick, denn bereits eine Sekunde später zuckte der Kopf nach vorne und schnappte mit seinem riesigen Maul nach uns.

Glücklicherweise ging der Angriff ins Leere.

Mit fliegenden Fingern hangelten wir uns nach oben, wo im trüben Licht des Abwasserkanals eine Art Schachtdeckel zu erkennen war, eine ovale, eiserne Platte, die aus den unterirdischen Katakomben heraus in die Freiheit zu führen schien.

Aber meine Erleichterung, dem Biest zu entkommen, währte nur den Bruchteil einer Sekunde, denn oben, am Ende der Leiter war Endstation.

Linda begann, halb wahnsinnig vor Angst, lauthals zu brüllen.

Ich dachte, mein Herz bleibt stehen, als ich ihren verzweifelten Schreien entnehmen konnte, dass der Schachtdeckel über uns verschlossen war.

Mein Kopf ruckte nach unten, während ich auf die Bestie starrte. Kalter Schweiß lag auf meiner Stirn, das Blut rauschte in meinen Ohren und meine Handflächen waren feucht wie die eines Pennälers vor dem ersten Date.

Noch nie in meinem Leben hatte ich mich derart hilflos gefühlt. Aber das Schicksal meinte es gut mit uns. Geduld war anscheinend etwas, das dem Untier fremd erschien.

Ein Blick nach unten zeigte mir, wie das Monster bereits nach dem ersten fehlgeschlagenen Angriff den Schädel zurückzog, kreischte und wieder in der dunklen Abwasserbrühe verschwand, als hätte es nie existiert.

Inzwischen stand ich neben Linda auf der letzten Sprosse der Leiter.

Sie starrte mich an, deutete nach oben und zuckte hilflos mit den Schultern.

Meine Hände legten sich auf den Schachtdeckel, der uns den Weg in die Freiheit versperrte.

Das verrostete Ding bewegte sich keinen Zentimeter.

Mit wilder Wut zerrte und rüttelte ich an dem Deckel. Dicke Schweißperlen glänzten auf meiner Stirn. Das verdammte Ding schien festgewachsen zu sein.

Meine Gedanken rasten.

Es konnte nicht sein, dass unser Weg hier zu Ende war.

Unbändige Wut erfüllte mich, während ich Linda ein Stück tiefer schickte. Ich verschaffte mir danach einen ausreichenden Stand auf der letzten Sprosse und drückte dann mit aller Kraft, zu der ich noch fähig war, mit der Schulter gegen den Schachtdeckel.

Aber der Scheißdeckel bewegte sich tatsächlich keinen Millimeter.

Ich war jetzt kurz davor, zu explodieren.

Ich weiß heute noch nicht, woher ich damals die Energie nahm, solange dagegen zu drücken, bis sich das Ding irgendwann tatsächlich bewegte. Aber es gelang mir, irgendwann gab die rostige Einfassung mit einem schnarrenden Knarren schließlich doch nach.

 

***

 

Ich stemmte meine Hände gegen den Metalldeckel, schob ihn zur Seite und kletterte aus dem Schacht. Als ich mich aufrichtete, hatte ich Mühe, nicht laut aufzuschreien.

Vor mir lag ein langer, breiter Gang, dessen Ende sich im Dämmerlicht, das hier vorherrschte, irgendwo in der Ferne verlor.

Seine Ausdehnung ließ mich unwillkürlich eher an eine schmale Straße als an einen Hausgang denken. Der Boden bestand aus einer Art Laminat und die Wände waren alle zwei, drei Schritte weit mit futuristisch wirkenden Lampen bestückt, welche die Umgebung in ein seltsames elfenbeinfarbenes Licht tauchten. In der Luft hing ein Surren, das mich an eine alterschwache Klimaanlage erinnerte, und aus irgendwelchen imaginären Lautsprechern bellte eine emotionslose Stimme im Sekundentakt irgendwelche Anweisungen.

Die Stimme klang, als käme sie vom Band, und ihre Worte ergaben alles andere als einen Sinn.

»Bravo Charly bitte 18, Bravo Charly die 18.«

Dann nach einer kurzen Unterbrechung und: »Tango Foxtrott 17, Yankee Zulu sofort die 4.«

»Das sind Kürzel der einzelnen Wissenschaftler und die Zahlen die Apparate, die sie anrufen sollen«, erklärte mir Linda auf meine fragenden Blicke hin.

»Namen werden hier nicht genannt, hier geht alles steril und unpersönlich zu. Ab hier bist du keine Person mehr, sondern nur noch eine Nummer, die zu funktionieren hat.«

»Schön, aber wie geht es jetzt weiter?«

»Wenn wir hier weitergehen, müssten wir nach circa einer halben Meile auf eines unserer Großraumlager stoßen und gleich dahinter auf die Quartiere meiner Kollegen. Wenn ich mich nicht irre, liegt irgendwo da vorne auch meine Unterkunft.«

Ich rollte die Augen.

Was für einen Riesenkomplex hatte diese Interessengruppe hier am äußersten Ende von Australien um Gottes willen aus dem Boden gestampft, wenn sich alleine schon ein unbedeutender Gang über eine Entfernung hin erstreckte, die scheinbar länger als eine halbe Meile war?

Ich sollte es schneller erfahren, als mir lieb war, auch wenn bis dahin noch einige Stunden vergehen sollten. Zunächst packte mich Linda jedenfalls an der Hand und rannte mit mir den halbdunklen Gang entlang.

Die Lautsprecherdurchsagen erfolgten dabei in immer kürzer werdenden Abständen und wurden gleichzeitig zunehmend lauter.

»Den Nummern nach ruft man die Leiter einiger Labore zu einer Konferenz zusammen. Anscheinend stehen wichtige Experimente kurz vor dem Abschluss.«

»Was sind das für Leiter, ich meine, für was sind diese Leute verantwortlich?«, wollte ich wissen.

»Einstellige Nummern bekommen nur Wissenschaftler, die bei ihren Forschungen hauptsächlich Experimente an Menschen durchführen«, erwiderte Linda nach einigem Zögern. »Ich weiß, wie du über diese Dinge denkst«, schob Linda sofort nach, als sie in mein düsteres Gesicht blickte. »Aber uns hätte nichts Besseres passieren können. Solche Zusammenkünfte unterliegen der höchsten Sicherheitsstufe, das heißt, dass die Konferenz hermetisch abgeschottet wird und wir deshalb kaum noch auf irgendwelche Wachposten treffen werden.«

Ich nickte, während Linda immer schneller wurde.

 

***

 

»Wir sind fast am Ziel«, japste Linda nach einer Viertelstunde Rennen, Treppen steigen und Aufzug fahren. »Dort vorne befindet sich der Flugzeughangar, von dem aus wir diese verdammte Area endlich verlassen können.«

»Auf was warten wir dann noch?«

Linda sagte nichts und zog stattdessen das Tempo noch einmal an. Während ich ihr folgte, musste ich eingestehen, dass sie recht behalten hatte. Auf unserem Weg dahin war uns nicht ein Wachposten entgegengetreten.

Als wir das Ziel unserer Flucht schließlich erreicht hatten, war ich doch ein bisschen enttäuscht. Nach all dem Hightech, den man in das Hauptquartier investiert hatte, nahm sich der Flughafen geradezu schäbig aus. Streng genommen verdiente er diesen Namen nicht einmal. Eine holprige Buckelpiste, auf der ich nicht einmal mit einem BMX-Rad fahren wollte, ein windschiefer Tower und ein Hangar, der nichts anderes war als eine übergroße Wellblechhütte, waren alles, was Linda als Flughafen bezeichnete.

Außer einer viersitzigen Cessna sah hier alles nach Zerfall und Moder aus.

»Als ich das letzte Mal so einen Hangar betrat, erledigte ich gerade einen Job in Timbuktu. Das war so kurz nach der Steinzeit«, sagte ich spöttisch.

Linda machte eine ärgerliche Geste.

»Wie lustig. Hast wohl gerade einen Clown gefrühstückt?«

Dann steuerte sie die viersitzige Sportmaschine an, öffnete die Tür und kletterte auf den Pilotensitz. Ich folgte ihr, ließ mich in den Sitz daneben fallen, plusterte die Backen auf und atmete zischend aus.

Geschafft, dachte ich.

In Gedanken war ich bereits wieder in England und sah mich im Geiste vor einer Meute sensationsgieriger Journalisten eine Pressekonferenz abgeben, die mich zum berühmtesten Mann der westlichen Welt machte.

Wie gesagt in Gedanken, in Wahrheit stierte ich auf Linda, die ein Gesicht machte, als ob alles Unglück der Welt plötzlich über uns gekommen war.

Irgendetwas war hier nicht in Ordnung, sagte eine innere Stimme plötzlich zu mir.

Dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, registrierte ich erst, als sich von hinten ein muskulöser Arm um meinen Hals schlang und meinen Kopf zurückriss.

Bevor ich protestieren konnte, drückte jemand eine Messerklinge so fest gegen meine Kehle, dass ich spürte, wie das Blut an meinem Hals hinablief.

»Ein Mucks und du bist tot!«, flüsterte mir eine Stimme ins Ohr.

Aus und vorbei, durchzuckte es mich.

Hinter mir stand niemand anderer als der Franzose.

Sein Gesicht war eine bösartige Fratze, in der sich in diesem Moment Genugtuung, Arroganz und alle Gehässigkeit dieser Welt gleichermaßen widerspiegelten.


Damit endet die erste Staffel der Serie Jackson. Bis zum Start der 2. Staffel erscheint jeden Montag eine Folge der Serie Marshal Crown, die bisher nur bei Facebook und beam eBooks zu lesen war. Ich wünsche allen Lesern gute Unterhaltung mit Marshal Crown und melde mich in etwa 8 Wochen mit Jacksons neuen Abenteuern zurück.

C.C. Slaterman

Eine Antwort auf Jackson – Teil 26