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Tod am Ramesseum

Prolog

Verhaftung

I

Memphis, vor vier Wochen

Der Grabräuber hieß Akim. Ein einfacher Name für einen einfachen Mann, dessen Arbeit bislang darin bestanden hatte, an Pharaos Grabmal zu arbeiten.
Offenbar hatte ihn diese Aufgabe nicht erfüllt, denn bei Nacht war er in die Pyramiden und Gräber Verstorbener eingedrungen und hatte dort Gold, Edelsteine und Schmuck entwendet.
Ein Verbrechen, so abscheulich, dass einem schlecht werden konnte beim bloßen Gedanken daran.
Und doch, das wussten wir, war er beileibe nicht der einzige Grabräuber in Kemet. Mehr noch, wahrscheinlich war er nicht einmal der einzige Grabräuber in Memphis oder in seinem Viertel.
Tote zu bestehlen konnte einträglich sein. Zumindest, solange man nicht gefasst wurde. Geschah dies, bereuten die Täter hundertfach.
Die Männer, welche mich begleiteten, waren Mitglieder der Stadtwache. Stattliche, braun gebrannte Burschen, die mit ihren Waffen umzugehen verstanden und wie ich keine Gnade mit Grabräubern kannten.
Wir erreichten Akims Heim kurz nach Feierabend. Durch das Fenster sahen wir ihn und seine Familie bei Tisch sitzen. Eine hübsche, noch relativ junge Frau mit schwarzem Haar und dezent geschminkten Augen, deren einfaches Gewand nicht vermuten ließ, dass sich ihr Gemahl ein Zubrot verdiente.
Neben ihr hockte ein Knabe von etwa drei oder vier Jahren. Er hatte eine Schale mit Brei vor sich stehen, sowie eine Tontasse, in der sich Ziegenmilch befand. Neben dem Geschirr lag ein kleines Spielzeug.
Mir tat der Junge leid, denn er konnte nichts für die Verfehlungen seines Vaters. Und doch würde er diesen Abend niemals vergessen.
Dafür mussten wir sorgen.
Mit einem kurzen Kopfnicken gab ich meinen Begleitern zu verstehen, was sie zu tun hatten. Einer von ihnen, ein breitschultriger Mann mit kahl rasiertem Schädel und goldenen Armbändern, schenkte mir ein breites Grinsen. Dann trat er gegen die Tür und schon bot diese kein Hindernis mehr.
»Akim – du bist verhaftet im Namen des Pharaos und auf Geheiß des Großwesirs. Leiste keinen Widerstand!«
Meine Worte hallten in dem großen Raum wider, während meine Begleiter in den Raum stürmten und den Verdächtigten festsetzten.
»Was hat das zu bedeuten?«, rief Akims Frau aufgebracht. »Warum nehmt ihr mir den Mann und meinem Sohn den Vater? Welche Willkür …«
»Dein Mann ist ein elender Grabräuber. Er wird vor Gericht gestellt, du kannst dem Prozess beiwohnen. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen – die Beweise gegen ihn sind erdrückend.«
»Ein Grabräuber?«, schrie die Frau, während Akim den Kopf hängen ließ.
Er konnte lügen. Jetzt und auch vor Gericht. Aber dies hätte sein Schicksal nicht verbessert; im Gegenteil. Im Jenseits wartete Anubis mit der Waage auf ihn. Jede Lüge, jeder Meineid ließ sein Herz schwer werden. War es am Ende schwerer als Maats Feder, würde die Totenfresserin kommen.
Dieses Risiko wollte Akim keinesfalls eingehen. Das irdische Leben war das eine, jenes im Jenseits etwas ganz anderes. Mehr noch – ein jenseitiges Leben war das Beste, worauf er nun noch hoffen konnte. Darum mied er den Blick seiner Frau, als er von den Wachen hinausgeführt wurde.
»Ich wusste es nicht«, schluchzte seine Frau, deren Namen ich nicht einmal kannte. Sie griff nach meiner Hand. »Bitte, was soll ich nun tun? Das Kind …«
Ohne ihr eine Antwort zu geben, wandte ich mich ab und verließ das Haus. Hatte sie bislang nicht arbeiten müssen, so änderte sich das jetzt. Hübsche Frauen mussten nicht darben. Sie konnte in einem der Tempel dienen, für wohlhabende Familien nähen und kochen oder sich als Liebesdienerin verdingen. Es gab unzählige Möglichkeiten und keine davon war auch nur im Leisesten ehrenrührig.

***

Kapitel 1

Ein neuer Auftrag

I

Memphis, heute

Die Sonne scheint durch das breite Fenster. Mein Bett steht so, dass ich spätestens um sieben in ihrem goldenen Schein bade. Sie ist hier, in Kemet, zuverlässiger als an einem anderen Ort auf der Welt.
Sie geht jeden Tag zur gleichen Zeit auf und senkt sich jeden Abend zur gleichen Zeit, um hinter dem Horizont zu verschwinden.
Mit einem leisen Seufzen richte ich mich auf und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Dabei blinzele ich in den Spiegel, der über mir an der Decke hängt.
Was ich sehe, entspricht nicht gerade dem Schönheitsideal für Frauen. Meine Haut ist kupfern, auch ohne dass ich mich pudern muss. Kleine Brüste, schmales Becken, winziger Mund und eine Nase, die man im besten Fall als niedlich bezeichnen könnte. Hinzu kommt das lange, schwarze Haar, das sich jedoch nicht frisieren lässt und daher nur einen Zopf oder einen Pagenschnitt zulässt.
Mein Aussehen ist für eine Frau von gerade mal 29 Jahren nicht gerade vorteilhaft, wie ich weiß.
Ohne nach dem dünnen Umhang zu greifen, der neben meinem Bett liegt, verlasse ich das Schlafzimmer und betrete das große Bad. Mit grauer Asche reibe ich meinen Körper ein, um ihn zu enthaaren.
Nun ja, zumindest von der Nase abwärts. Wäre ich eine Priesterin Amuns, so müsste ich mir meinen Kopf rasieren.
Mit ein Grund dafür, warum ich mich nicht zu einer Priesterin weihen ließ, sondern dem Sicherheitsdienst des Pharaos beitrat.
Anders als meine Schwester, doch die war schon immer sehr viel weiblicher als ich. Im Geiste und auch körperlich.
Die Asche brennt ein wenig auf den Schleimhäuten. Es gibt jedoch keine bessere Methode, den Haaren zu Leibe zu rücken. Darum ignoriere ich den leichten Schmerz, reibe meine Haut gründlich ein und gehe erst in das Becken mit Wasser, Ölen und Milch, als ich mir sicher sein kann, sauber und enthaart hinauszukommen.
Ein paar Minuten gönne ich mir, um zu entspannen. Ein anstrengender Tag liegt vor mir. Zumindest die nächsten zwei Stunden möchte ich darum nutzen, um es ruhig angehen zu lassen.
Mit einem Naturschwamm reinige ich mich, verlasse dann das Becken wieder und gehe, noch nass, in die Kammer eine Tür weiter.
Vor der großen Anubis-Statue lege ich mich demütig nieder und spreche mein Gebet. Dabei fällt mir auf, dass meine Sklavin nicht richtig geputzt hat, denn Anubis ist staubig.
Zehn Minuten später verlasse ich die Kammer wieder und nehme ein zweites Bad.
Inzwischen ist meine Sklavin erwacht. Sie reicht mir mit Honig bestrichene Brote und etwas Milch, ehe ich mich erneut wasche.
Anschließend reicht mir meine Sklavin ein Handtuch, sodass ich mich abtrocknen kann. Sie schaut mir demütig nach, als ich das Bad verlasse und zurück in das große Schlafzimmer gehe, um mich zu schminken und meine Uniform anzulegen.
Mit einem schwarzen Stift ziehe ich die Konturen meiner Augen nach. Die Farbe ist nicht nur schick, sondern hält auch das grelle Licht der Wüstensonne ab.
Meine Lippen erhalten einen goldenen Glanz, die Wangen töne ich mit rotem Ocker ab. Schließlich möchte ich nicht aussehen wie meine eigene Statue.
Nachdem ich zufrieden bin mit meinem Aussehen, folgt der Schmuck – eine Kette mit einem gesegneten Ankh, ein Armband mit kleinen Chepri sowie Ohrringe in Form einer sitzenden Katze – Bastet, wenn auch in einer recht simplen Form.
Zum Schluss erst schlüpfe ich in meine Uniform und überprüfe den Look im Spiegel. Die Haare binde ich zu einem Zopf, die Waffen finden ihren Platz am Gürtel.
Okay, so siehst du ganz gut aus, stelle ich zufrieden fest. So kannst du dich sogar am Hofe blicken lassen.
Meine Sklavin betritt das Schlafzimmer und schaut mich prüfend an. Sie trägt ein safrangelbes Gewand, auf Schuhe hat sie jedoch verzichtet.
»Kannst du bitte Anubis wischen?«, bitte ich sie. »Er ist staubig.«
Sie nickt ergeben, ehe sie den Kragen meiner Uniform richtet. Ihr Atem riecht nach frischer Minze, ihr Blick ist scheu, aber hingebungsvoll. Bislang bereue ich nicht, sie in meine Dienste genommen zu haben.
Sie schaute mir nach, als ich das Haus verlasse und vor die Tür trete. Die Pyramide von Pharao ist kaum mehr als ein roher Bau. Sie erhebt sich westlich der Stadt auf einem kleinen Hügel. Wie die meisten Pharaonen möchte auch der jetzige Regent ein Grabmal für die Ewigkeit. Eines, auf das die Menschen noch in 1000 Jahren blicken und sich an ihn und seine Taten erinnern.
Welche Taten?, denke ich ketzerisch, gehe über einen schmalen Weg zur Garage und steige dort auf eine Athena-2500.
Es gibt im Moment kein Motorrad mit einem ähnlich starken und zuverlässigen Motor. Die Athena-2500 ist perfekt, mag man es sportlich. Sie kostete mich ein Vermögen, aber noch immer liebe ich das Motorrad. So wie ich den PDA an meinem Handgelenk liebe, den mir mein Onkel zum Geburtstag schenkte. Ein Taschencomputer, so viel besser als jene, die der Sicherheitsdienst normalerweise einsetzt. Gemeinsam mit den D-Gläsern, die meine Augen nicht nur besser als jeder Stift vor der Sonne schützen, sondern auch als Display für den PDA dienen, fühle ich mich hin und wieder wie eine Figur aus den spannenden Zukunftsromanen, die monatlich aus den Kolonien in Übersee eintreffen und unsere Bibliotheken und Buchhandlungen überschwemmen.
Es ist noch nicht lange her, da besuchte ich New Memphis, um gemeinsam mit den Behörden dort einen Fall zu lösen.
New Memphis ist schmutzig, laut und schläft nie, wie mir mein Kollege versicherte. Und doch möchte er nicht tauschen. Er liebe die Stadt, die Wolkenkratzer und die Verrückten, die den Central Park unsicher machen würden.
Da New Memphis einst von den Kelten gegründet worden war, bevor wir den gesamten Kontinent eroberten und den Menschen unsere Zivilisation schenkten, glaubte ich meinem Kollegen jedes Wort. Noch immer steckt viel keltisches Blut in den Bewohnern von New Memphis. Sie sprechen anders als wir, leben anders als wir und glauben an Götter, die nur bedingt mit den unsrigen zu vergleichen sind.
Dennoch sind sie ein Teil Kemets. So wie die anderen Kolonien, die wir zum Beispiel in Punt unterhalten.
Unser Reich erstreckt sich über den gesamten Globus und spiegelt eine Vielfalt wieder, die nicht einmal die Römer einst erreichen konnten.
Gut, dass ihnen Kleopatra die Siebte kräftig in den Hintern treten konnte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätten sie uns erobert. Am Ende würden wir heute alle Latein sprechen und zu Jupiter beten …


Die vollständige Story steht als PDF-Download zur Verfügung.

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