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Zwei Leben, ein Schmerz

Ich weiß, was ich getan habe, und ich weiß, dass es für mich keinen anderen Ausweg gibt.

Ich befinde mich augenblicklich im Angesicht des Momentes der letzten und wichtigsten Entscheidung meines Seins.

Am besten beginne ich mit meiner Erzählung am Anfang. Ich entschied mich für diesen Weg, weil es für mich der einzig Richtige war. Ich wurde von einer Motivation angetrieben, die ich mittlerweile nicht mehr verstehe. Ich wuchs in einer großen Familie als Zweites von drei Kindern auf. Ich war also zu alt, um behütet zu werden, und zu jung, um selbstständig Entscheidungen zu treffen. Ich war auch nie so besonders wie meine Geschwister. Ich hatte keine Talente, war nicht beliebt und brachte nie wirklich gute Noten nach Hause. Mein Leben war trist und einsam. Ich verbrachte meine Zeit meistens alleine in einem abgelegenen Park am Stadtrand. Ich liebe den kleinen Teich und die Bäume, die ihn umringen. Es scheint, als wollen sie ihn vor der kalten Welt beschützen. Dort konnte ich meinen Alltagsgedanken für einige Zeit entfliehen. Ich war immer gut im Schreiben … obwohl es in meiner Familie nie als Talent angesehen wurde. Ich lies meinen Gedanken freien Lauf und schrieb Tag für Tag nieder, was so schwer auf meiner Seele lag. So konnte ich mich doch immer wieder für den nächsten Tag motivieren.

Dann kam aber der Tag, der den Anfang vom Ende einläuten sollte. In meinem Umfeld schlug mir nur noch Desinteresse entgegen … viel schlimmer als jemals zuvor. Ich verfiel in eine tiefe Depression und fühlte mich deplatzierter denn je. Ich war bereits tot, und innerlich wuchs die Kälte mit jeder neu anbrechenden Stunde. Und ich fragte mich, ob jemand merken würde, wenn ich nicht mehr da sein würde … ich wagte es zu bezweifeln …

Also ließ ich es geschehen. Gut, ich hätte mich auch wie jede andere, die keinen Ausweg mehr sieht, einfach von der Brücke stürzen können, aber ich wollte wissen, ob es ANDERS sein kann, ob es ein anderes, vielleicht besseres Leben gibt. Aber wie konnte ich so dumm sein, wieso dachte ich wirklich, dass es für mich Hoffnung gibt … Hoffnung für einen Menschen, für den sich nie jemand interessierte … für eine Verliererin, die nie was auf die Beine stellen konnte.

ES tat nicht weh, obwohl ich mit starken Schmerzen rechnete … Wie konnte ein Herz schmerzvoll sterben, das nie geschlagen hat … Wie konnte es im Todeskampf brennen, wenn doch der ganze Körper all die Jahre vor innerlichen Qualen brannte … Nur die Krämpfe danach taten weh, was mir aber aus kranken Gründen keinen Schmerz, sondern ein bittersüßes Gefühl von LEBEN gab. Ich starb also und doch lebte ich. Wie konnte das sein?

Ich wachte nach einigen Stunden wieder auf. Mein verbessertes neues Ich, dachte ich jedenfalls. Doch was erwartete ich … da war nichts, ich fühlte mich zwar körperlich stärker als jemals zuvor … aber trotzdem war die endlose Leere in mir immer noch mein Begleiter.

Ich lebe jetzt seit genau einer Woche in einem neuen zweiten Leben, ich tat in der Zeit Dinge, die niemand tun sollte. Ich brachte Menschen, um nur um meinen Hunger zu stillen. Ich war also mittlerweile genauso rücksichtslos wie die Menschen, die ich in meinem alten Leben verachtete, nur mit dem Unterschied, dass ich Menschen tötete, was das Schlimmste überhaupt ist. Ich tat alles, nur um meinen Vorteil daraus zu ziehen. Der Vorteil hieß in dem Fall überleben, ohne Nahrung krampfte mein ganzer Körper, ich litt Höllenqualen, wenn ich diesen Hunger nicht stillte. Ich konnte auch nicht mehr am Tage in meinen geliebten Park gehen, nie wieder die Reflexion der Sonne auf der Wasseroberfläche des Teichs sehen … es brach mir mein mittlerweile wirklich totes Herz.

Heute lief ich, ohne nachzudenken, in Richtung meines Elternhauses. Ich sah es nie als meine Heimat an, doch jetzt sehnte ich mich danach. Als ich im Schutz der Bäume auf der anderen Straßenseite ins Haus blickte, fand ich meine Familie gebrochen vor. Sie trauerten um mich. Ich galt ja offiziell als tot, es sah nach Selbstmord aus. Ich habe mir die Kehle aufgeschlitzt. Plötzlich wurde mir klar, wie sehr mich alle vermissen und wie sehr ich alle vermisse. Ich wollte zu ihnen gehen, sagen, dass ich lebe und das alles gut wird, doch war es nicht möglich. Als ich aus der geringen Entfernung ihr Blut in meinen Ohren pulsieren hörte, flammte meine Kehle erneut vor brennendem Verlangen nach frischem warmen Blut auf und ich wusste, dass ich nie wieder zurück kann.

Ich beschloss an meinen Teich zu gehen und zu warten, bis die Sonne aufgeht. Mein Leben war vorher zwar nicht perfekt, aber mit meiner Entscheidung habe ich alles endgültig zerstört. Ich sitze jetzt also hier und schreibe meine Geschichte nieder. Vielleicht findet sie jemand, der das Gleiche erlebt wie ich. Vielleicht kann ich ja sein oder ihr Leben auf diesem Weg retten.

Die Sonne geht in 2 Minuten auf, mein letzter Sonnenaufgang … wie ich diesen Anblick vermissen werde.

… übrigens, mein Name ist Emma.

Copyright © 2010 by Taylor Rose